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So sähe Berlin aus, wenn es so zerstört wäre wie Aleppo. Die rote Farbe steht für zerstörte Häuser. Hotspot ist Mitte.

© Hans Hack/OpenStreetMap contributors/CartoDB

Datenprojekt eines Berliner Künstlers: Wenn Berlin Aleppo wäre

In Mitte stünde kaum mehr ein Haus: Der Berliner Künstler Hans Hack hat die Zerstörungen in Aleppo auf den Berliner Stadtplan projiziert. Ein Interview über Daten, die Mitgefühl erzeugen.

Von Laura Hofmann

Was in Aleppo passiert, erreicht die Berliner meist nur über Fernsehbilder. Sie zeigen Verwüstung und Leid. Sie zeigen, dass ganze Stadtviertel zerstört sind. Aber auch wenn viele Menschen, die aus Aleppo geflohen sind, in Berlin Zuflucht gefunden haben, bleibt das Ausmaß der Zerstörung der syrischen Stadt aus der Ferne schwer greifbar.

Das nahm der Künstler und Computer-Designer Hans Hack zum Anlass, ein Programm zu entwickeln, das die Verwüstungen Aleppos auf den Stadtplan von Berlin projiziert. Auch für London gibt es diese Karte. Auf Hacks Webseite sieht man, welche Viertel in welchem Ausmaß betroffen wären. Die Farbe Rot steht für zerstörte Häuser. Als Datengrundlage nutzte der Künstler eine Studie des „United Nations Institute for Training and Research“, die zeigt, welcher Stadtteil von Aleppo in welchem Ausmaß zerstört wurde. Wir haben mit Hack über seine Motive und die Karte gesprochen.

Herr Hack, wenn Berlin so zerstört wäre wie Aleppo, wie sähe Ihr Kiez dann aus?

Laut meiner Karte wäre mein Kiez in Kreuzberg nicht so zerstört. Aber das ist reiner Zufall, ich musste das ja so projizieren, dass es Sinn ergibt. Als Referenzpunkt habe ich die Stadtzentren benutzt, die Zitadelle in Aleppo entspricht der Fischerinsel in Berlin. Welche Häuser genau zerstört wären, kann man gar nicht sagen, das von mir entwickelte Programm wählt die Gebäude zufällig aus. Wenn der UN-Datensatz sagt, dass die Prozentzahl an Zerstörung in einem Viertel erreicht ist, zum Beispiel 60 Prozent, dann hört das Programm auf, Häuser als zerstört zu kennzeichnen.

Wie groß ist die Zerstörung in Aleppo?

Die höchste Zerstörung in Aleppo liegt laut den Vereinten Nationen bei 65 Prozent eines Stadtteils. Auf meiner Webseite sieht man das an der verwendeten roten Farbe auf dem Stadtplan: je dunkler sie ist, desto heftiger die Verwüstung.

Wo in Berlin wäre die Zerstörung denn am größten?

In Mitte rund um die Museumsinsel. Mitte ist generell der am stärksten betroffene Bezirk. Aber auch Teile von Friedrichshain, Schöneberg und Wedding wären sehr stark zerstört. Andere Ortsteile sind wiederum fast gar nicht betroffen. Das liegt daran, dass Aleppo nicht gänzlich von Rebellen eingenommen ist. Der Westen der Stadt ist noch relativ intakt. Das würde in Berlin Moabit entsprechen.

Wie kamen Sie auf Idee?

Die hatte ich schon länger, ich habe auch schon öfter mit Projektionen gearbeitet. Ich habe mal den Gazastreifen in andere Gegenden der Welt proijiziert oder auch die Grenze zwischen den USA und Mexiko, Aber diese Idee mit Aleppo kam mir, weil ich mir gar nicht vorstellen kann, wie sehr die Stadt zerstört ist. Am besten begreift man so etwas, wenn man es auf ein Gebiet überträgt, das man kennt. Dann habe ich diesen Datensatz der UN gefunden, den ich brauchte, um das Projekt zu realisieren.

Was wollen Sie mit den Karten erreichen?

Ich bezwecke damit, das Leiden der Menschen in Aleppo verständlicher zu machen. Ich möchte, dass man besser nachvollziehen kann, was es bedeutet, wenn so viel von der eigenen Stadt zerstört ist. Ich will begreifbar machen, was man so in den Nachrichten hört. Und ich will ein Gefühl für das unvorstellbare Ausmaß der Zerstörung geben.

Wie waren die Reaktionen, die Sie bisher erreicht haben?

Ich habe das bisher fast ausschließlich über Twitter verfolgt, da gab es sehr positive Rückmeldungen. Mir haben viele Leute gesagt, sie könnten sich die Zerstörungen in Aleppo und das Leid dort jetzt besser ausmalen. Dann hätte ich mein Ziel also erreicht.

Wie lange haben Sie an dem Projekt programmiert?

Eigentlich sollte es nur zwei Tage dauern, dann habe ich aber doch eine ganze Woche gebraucht. Ich habe das Programm selber geschrieben und Open Street Map verwendet, eine Art Wikipedia mit Karten, also eine Riesendatenbank.

Warum haben Sie das Experiment auf Berlin und London angewendet?

Weil ich in Berlin lebe, seit zehn Jahren schon. Da war das naheliegend, weil ich mich hier am besten auskenne und viele Menschen in meinem Leben auch hier wohnen. Und London bot sich ebenfalls an, weil ich da auch mal gewohnt habe und dort viele Freunde und Verwandte habe, die sich auch für dieses Thema interessieren.

Woher kommen Sie?

Ich bin in Belgien geboren. Brüssel würde mit dieser Karte übrigens auch sehr gut funktionieren, weil es fast gleich groß wie Aleppo ist. New York hingegen wäre wegen der vielen Wasserflächen schwieriger geworden. Wenn es entsprechende Anfragen gibt, kann ich mir vorstellen, das Projekt noch auf andere Städte auszuweiten.

Hans Hack, 34, ist Web-Entwickler und Künstler. Der in Belgien geborene Datenfachmann lebt und arbeitet in Berlin. Für seine Arbeiten nutzt er gerne die Technik der Projektion.

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