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Die Stellenanzeige.

© Nico Schmidt

DB ServiceStore in Berlin-Pankow sucht Aushilfe: "Du bist nicht komplett verpeilt"

Ihre Kollegen scheiterten daran, die Uhr zu lesen oder ein Deo zu benutzen. Also schrieb eine Kioskverkäuferin in Berlin-Pankow eine Annonce.

Als ihr letzter Kollege kündigte, wusste Anett Möschner: Ich muss was tun. Zehn Aushilfen hatten im vergangenen Jahr mit ihr im DB ServiceStore auf dem Bahnsteig des S-Bahnhofs Pankow gearbeitet. Keiner von ihnen blieb. Vergangene Woche sah sie eine lustige Stellenanzeige, die auf Facebook geteilt wurde. Also schrieb sie eine eigene, druckte sie aus. Nun klebt sie an der Automatiktür des Kiosks und auf den Twitter-Timelines tausender Nutzer. Die Annonce ist ein Netz-Hit und Möschner jetzt so etwas wie berühmt.

Ein Mädchen betritt das Geschäft, 14 Quadratmeter Verkaufsfläche, Zeitschriften geradeaus, Kaltgetränke rechts. „Was darf’s bei Ihnen sein?“, fragt Möschner. „Einen Cappuccino.“ Möschner drückt die Taste des Vollautomaten. Der röhrt und Möschner kassiert.

Gleich daneben hängt der Zettel. „Achtung!!! Freundliche und intelligente Studentin oder Aushilfe– gern auch Ältere – für den DB-Store Pankow dringend gesucht!“ „Du bist nicht komplett verpeilt“, steht da. Im vergangenen Sommer klingelte Möschners Telefon. Eine Aushilfe rief sie an. Ein Kunde stehe im Laden, habe eine Monatskarte gekauft und wolle nun eine Quittung. „Drück das Q“, sagte Möschner. „Da ist kein Q“, sagte die Aushilfe. Ist da ein Q? Möschner deutet auf die Computertastatur, die vor ihr liegt. Die Aushilfe kündigte eine Woche später.

Noch weitere Kritierien

„Du kannst die Uhr lesen“, steht da. Egal ob zur Frühschicht, 5 bis 11 Uhr, zur Mittelschicht, 11 bis 13 Uhr, oder zur Spätschicht, 13 bis 20 Uhr, wieder und wieder kamen die Aushilfen zu spät. „Entweder sie haben den Wecker nicht gehört oder eine Schneeflocke lag auf den S-Bahn-Gleisen“, sagt Möschners Kollegin, Bianka Walter, die eine Bockwurst aus dem Glasbehälter fischt, Ketchup dazu auf die Pappschale tut und das Ganze über den Tresen reicht.

„Du brauchst nicht alle alle drei Minuten WhatsApp-Nachrichten schreiben bzw. Facebook checken“, steht da. Walter lehnt sich auf den Tresen. Über ihr, an der Decke, hängt eine Überwachungskamera. „Wenn meine Kinder anrufen, gehe ich ran. Aber hier andauernd die Nachrichten zu lesen geht nicht.“ Mit ihrem Finger wischt sie über ein Smartphone, das sie auf den Tresen imaginiert. Sie hätte mit Aushilfen gearbeitet, die eine halbe Stunde auf der Toilette verbrachten, WhatsApp- oder Facebook-Nachrichten lasen. „Da war Facebook oben und der Verkauf unten.“

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Ihren Chef fragte Möschner, ob sie den Zettel aufhängen dürfe. Er sagte: Ja. Der Chef hatte vorher selbst eine Stellenanzeige aufgegeben. Nichtssagend sei die gewesen, sagt Möschner. Auch deshalb setzte sie eine Annonce auf. Und: „Wir wollen auch mitbestimmen, mit wem wir arbeiten.“

Deshalb stehen auf dem Zettel weitere Kriterien. Etwa: „Du musst, nach dem einmaligen Tragen eines leeren Bierkastens, nicht gleich ins Krankenhaus, da du dir eine schwere Muskelzerrung zugezogen hast.“ Oder: „Du kennst den Gebrauch eines Deos und der Waschmaschine.“

Kommen morgen die Bewerber?

Hat sich schon jemand auf die Annonce gemeldet? Nein. „Die Leute nehmen das nicht ernst.“ Viele hätten im Laden gestanden. Sie sagten: Top. Klasse. Witzig. Möschner drückt ihren Rücken an das Zigarettenregal und grinst. „Übernimm meine Schicht, ich muss lachen“, sagt sie. „Du hast das angerichtet“, sagt Walter. „Ich konnte nicht ahnen, dass das so eine Welle macht.“

Am frühen Nachmittag stand eine Reporterin der „Welt“ in dem Geschäft, nun der „Tagesspiegel“ neben dem Tresen. Heute kommen also die Reporter, morgen dann die Bewerber? „Das wäre schön“, sagt Möschner. Dann wendet sie sich wieder einem Kunden zu: „Was darf’s bei ihnen sein?“

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