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Demonstration: Nahost wieder ganz nah

Protest auf dem Ku’damm gegen Israels Militäraktion. Berliner Juden und Palästinenser eint die Sorge.

Die Sprechchöre klangen martialisch: „Frauenmörder Israel, Kindermörder Israel“ und „Intifada bis zum Sieg“ skandierten gestern rund 2000 zumeist arabischstämmige Demonstranten auf dem Kurfürstendamm. Um 15 Uhr hatten sich die Protestierenden auf dem Adenauerplatz versammelt, um ein Ende der israelischen Militärangriffe auf Gaza zu fordern. Einige Jugendliche hatten sich vermummt, doch es blieb bis zum Ende friedlich.

Angemeldet hatte die Demonstration die palästinensische Gemeinde in Berlin. Mitorganisator Nabil Rachid, 57, ist selbst Palästinenser und kam vor 36 Jahren nach Deutschland. Er wünscht sich eine „Waffenruhe auf allen Seiten“, also auch einen Stopp der Raketenangriffe auf Israel. Rachid telefoniert täglich mit Freunden in Gaza. „Ich weiß, dass ihnen bis jetzt nichts passiert ist, aber sie können sich nicht vor den Luftangriffen schützen.“

Der Protest war die erste größere Demonstration in Berlin seit Beginn der Kampfhandlungen. Am Sonntag hatten sich lediglich 40 Menschen zu einer Spontankundgebung am Brandenburger Tor versammelt. Vor der israelischen Botschaft und der jüdischen Gemeinde blieb es bisher ruhig. Die Polizei hat nach Angaben eines Sprechers „schon seit längerem höchste Sicherheitsvorkehrungen getroffen“.

Auch einzelne Israelis zogen gestern mit über den Kurfürstendamm. „Die Forderungen nach Frieden kann ich sehr gut teilen“, sagte Jossi Batal, 22. Seit zwei Jahren studiert er an der Humboldt-Universität, seine Eltern leben in Jerusalem. In Berlin hat er palästinensische Bekannte, im Frühjahr organisierte er mit einigen von ihnen im Kino Babylon in Mitte das weltweit erste israelisch-palästinensische Filmfestival „Check Point“. Jossi Batal sitzt dieser Tage viel am Computer – über die Kämpfe informiert er sich vor allem über israelische und palästinensische Internetseiten.

Besorgt ist auch Norbert Kopp (CDU), Bezirksbürgermeister von Steglitz-Zehlendorf. Sein Bezirk unterhält Partnerschaften zu Sderot und Kiriat Bialik, zwei israelischen Städten, die in der Nähe des Gazastreifens in Reichweite palästinensischer Raketen liegen. Vor allem in Sderot gingen in den vergangenen Tagen ständig Geschosse nieder. „Besonders bedrückt mich die scheinbare Aussichtslosigkeit der Lage“, sagt Kopp. „Auf beiden Seiten wünschen sich die Menschen doch Frieden.“ Bereits im Herbst hat der Bezirk beschlossen, ein Zeichen zu setzen: Im Frühjahr wird der Platz an der Martin-Buber-Straße/Ecke Potsdamer Straße in Sderot-Platz umbenannt. Zu dem Festakt wird eine israelische Delegation eingeladen.

„Über das Schicksal der Menschen in Sderot wird in Deutschland viel zu wenig berichtet“, sagt Gisela Hornung, die die Städtepartnerschaft seit 38 Jahren ehrenamtlich betreut. Sie hat viele Bekannte in Sderot, mit denen sie in E-Mail-Kontakt steht. „Die Leute leben in ständiger Angst, jede Bushaltestelle und fast jedes Haus hat inzwischen einen eigenen Bunker.“ Vor zwei Wochen erst hat Hornung Glückwunsche zum jüdischen Chanukka-Fest losgeschickt. Sie hat ihren Freunden „endlich Frieden gewünscht“. Aber das tue sie ja schon seit Jahren, sagt sie. Sebastian Leber

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