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Demos am Samstag in Berlin: Heißer Asphalt

Am Samstag war viel los in Berlin: Islamfeinde zogen vor Moscheen und Israelfeinde über den Kurfürstendamm. Hunderte kamen zu Gegenprotesten, die Polizei war im Großeinsatz. Überraschend blieb es friedlich. Doch vorbei ist es damit noch lange nicht.

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Dutzende Kundgebungen, tausende Demonstranten, aus dem Bundesgebiet zusammengezogene Polizeieinheiten – an diesem Wochenende ist selbst für Berliner Verhältnisse viel demonstriert worden.

Am Sonnabend haben mehrere Versammlungen der rechtspopulistischen Partei „Pro Deutschland“ vor Moscheen in Wedding und Neukölln lautstarke Proteste linker Gegendemonstranten hervorgerufen. Zeitgleich zogen muslimische und arabische Organisationen beim traditionellen Al-Quds-Umzug über den Kurfürstendamm, ebenfalls lautstark begleitet von proisraelischen Demonstranten. Bis zum späten Nachmittag blieb es aber trotz der sommerlichen Hitze und heiß umstrittener Themen weitgehend friedlich.

Am Sonntag gehen die Proteste weiter. Pro Deutschland will vor linksalternativen Einrichtungen demonstrieren – darunter vor den in der autonomen Szene bundesweit bekannten Häusern in der Köpenicker Straße in Mitte und der Liebigstraße in Friedrichshain. Die Gebäude waren einst besetzt worden und sind seit Jahren bekannte Treffpunkte linker Gruppen. Letztere haben Gegenaktionen angekündigt. Die Polizei bereitet sich auf einen weiteren Großeinsatz vor.

Schon am Sonnabend waren in der gesamten Innenstadt diverse Einsatzkräfte unterwegs. Am Morgen hatten Kritiker von Pro Deutschland auf deren eigener Pressekonferenz lautstark gegen die Islamfeinde protestiert. Ab 12 Uhr glich die Torfstraße in Wedding einer Hochsicherheitszone. Vor der dortigen As-Sahaba-Moschee waren Absperrgitter aufgestellt, Polizeihundertschaften sicherten den Kiez: Rund 40 Pro-Deutschland-Anhänger wurden vor schätzungsweise 200 Gegendemonstranten geschützt, darunter Linke, Grüne, Sozialdemokraten und Gewerkschafter.

Bildergalerie: Pro-Deutschland-Demos vor Moscheen

Einzelne Gemeindemitglieder der As-Sahaba-Moschee standen vor ihrem Gotteshaus. Zu zahlreichen Reden, in denen viel vom „jüdisch-christlichem Abendland“, „deutscher Kultur“ und mit Blick auf Muslime von „tickenden Zeitbomben“ die Rede war, zeigten die angereisten Rechtspopulisten die umstrittenen Mohammed-Karikaturen des dänischen Zeichners Kurt Westergaard und Schilder mit durchgestrichenen Moscheen.

In Bonn und Solingen hatte es vor drei Monaten nach einer ähnlichen Pro-Deutschland-Demonstration heftige Ausschreitungen gegeben. Ein Polizist und eine Polizistin wurden dabei durch einen Stich eines muslimischen Deutschtürken schwer verletzt. Sowohl in Wedding als auch in Neukölln blieb es vor den Moscheen friedlich. Kleinere Auseinandersetzungen zwischen Anwohnern und der Polizei gab es bis zum späten Nachmittag lediglich am U-Bahnhof Boddinstraße: Die Sicherheitskräfte hatten zum Ärger vieler Kiezbewohner umfassende Sperren aufgebaut.

Muslimische Vereine hatten im Vorfeld zur Besonnenheit aufgerufen. Der Islamrat appellierte, die Aktionen von Pro Deutschland zu ignorieren. Die Polizei hatte in den vergangenen Wochen intensive Gespräche mit den muslimischen Gemeinden geführt – insbesondere mit Vertretern der Gotteshäuser, vor denen Pro Deutschland demonstrierte. Die Moscheen werden den radikalislamischen Salafisten zugerechnet.

Innensenator Frank Henkel (CDU) erklärte vor der Weddinger Moschee, die Hauptstadt reagiere besonnen auf die Demonstrationen von Pro Deutschland. „Wer Provokation sät, darf nicht das ernten, was er sich davon erhofft.“ Zuvor war auch Polizei-Vizepräsidentin Margarete Koppers vor Ort. Noch am Freitag hatten Moscheevereine beim Berliner Oberverwaltungsgericht versucht, per Eilantrag das Zeigen der Mohammed-Karikaturen vor ihren Häusern untersagen zu lassen. Die Richter wiesen den Antrag jedoch zurück.

Wie schon das Verwaltungsgericht als Vorinstanz verwiesen sie auf das Demonstrationsrecht. Sie sahen die provokanten Kundgebungen nicht als strafrechtlich relevant und damit nicht als Gefahr für die öffentliche Sicherheit an. Überdies unterlägen die Karikaturen der Kunstfreiheit.

An der sogenannten Al-Quds-Demonstration in Berlin haben sich am Samstag nach Polizeiangaben 1100 Menschen beteiligt. Der Umzug gilt als israelfeindlich. Es gab zwei proisraelische Gegendemos mit jeweils 200 Teilnehmern. Der Al-Quds-Aufzug begann am Adenauerplatz und setzte sich gegen 16 Uhr in Richtung Wittenbergplatz in Bewegung. Von Lautsprecherwagen wurden Parolen gerufen: „Freiheit für Palästina“, „Stoppt den Krieg“, „Israel bombardiert, Deutschland finanziert“.

Auch die Bundesregierung wurde kritisiert: „Merkel, warum kein Wort? Unsere Kinder sterben dort!“, skandierten Teilnehmer. Der Zug wurde auf der Nordseite des Kurfürstendamms entlanggeführt; hunderte Beamte schirmten die proisraelischen Rufer auf der Südseite der Straße ab.

In Berlin gehen seit 1996 muslimische Gruppen für die „Befreiung von Al Quds“ auf die Straße. Al Quds ist der arabische Name von Jerusalem. Die Stadt wird auch von den Palästinensern als ihre Hauptstadt gesehen. Nach der islamischen Revolution 1979 hatte der frühere iranische Staatschef Ayatollah Khomeini zu Al-Quds-Demonstrationen aufgerufen.

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