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Berlin: Denk die Metropole

Wissenschaftler und Politiker diskutierten ein Strategiepapier zur Stadtentwicklung

Wie es ist, so darf’s nicht bleiben, doch wie es anders ginge, weiß man nicht. Das war – etwas flapsig formuliert – am Freitagabend Fazit einer Diskussion zur aktuellen Stadtentwicklungsdebatte im Amerika-Haus. Immerhin weiß man dank des dort von der Initiative „Think Berlin plus“ vorgestellten städtebaulichen Memorandums jetzt, wie eine beherztere Stadtplanung in Berlin aussehen könnte. Die Wissenschaftlergruppe um den Architektursoziologen Harald Bodenschatz von der TU hat das Impulspapier mit voller Absicht als Denkanstoß in den Berliner Wahlkampf geworfen. Der vernachlässigt dieses Thema nach Ansicht von „Think Berlin plus“ nämlich sträflich.

Das von Harald Bodenschatz und Ex-Senator Thomas Flierl (Linke) initiierte und von Stadtforschern, Architekten und Architektursoziologen erarbeitete Memorandum stellt elf Regeln eines Stadtentwicklungsprogramms auf und definiert städtische Schlüsselräume. Eine Regel lautet „Abschied vom Archipel – die Metropolenregion ist der Maßstab!“ und spricht sich gegen städteplanerische Konzentration auf die Innenstadt aus. Die Regel „Stadtgrün – mehr als Salatgarnitur!“ beschwört die klimatische und soziale Bedeutung von gepflegten Parks, grünen Straßen und Plätzen für Berlin. Mit Schlüsselräumen sind das Berliner Zentrum, also die alte Stadtmitte und die City West gemeint, außerdem die ehemaligen Arbeiterquartiere, die Stadtbrachen, die Großsiedlungen, die zersiedelte Peripherie und die gesamte Großstadtregion. Hier verstärke sich durch die Aufgabe des Flughafen Tegels und den Bau des Zentralflughafens BBI das Nord-Süd-Gefälle bei der Entwicklung der Hauptstadtregion, sagen die Wissenschaftler.

Zurechtgestutzt wurden deren Ideen durch den als kernigen Kommentator eingeladenen Stadtplaner und ehemaligen Staatssekretär im Bundesbauministerium, Engelbert Lütke Daldrup. Der sieht keinerlei politischen Willen in Berlin oder Brandenburg, die Hauptstadt als Metropolenregion zu planen. Zudem würde, „wer überall alles entwickeln wolle, kaum was umsetzen“. Er plädierte ganz pragmatisch dafür, die Altstadt-Debatte auszusetzen und „endlich mal die Region um den Hauptbahnhof fertig zu bauen“. Fläche, Baurecht und Geld – das seien die strategischen Motoren der Stadtentwicklung, sagte Lütke Daldrup. Darin pflichteten ihm die schon länger in die Erarbeitung des Memorandums eingebundenen Politiker Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke), Franziska Eichstädt-Bohlig (Grüne) und Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD) lebhaft bei. Sonst übten sie sich in Konsens statt Kontroverse, lobten das Papier als „wichtigen Impuls“ und schoben das Fehlen einer stadtplanerischen Vision für Berlin auf die prekäre Kassenlage und die mangelnde partei- und verwaltungsübergreifende Kommunikation. gba

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