zum Hauptinhalt

Berlin: Der Postbote kommt – spät oder gar nicht

Weil die Briefträger mehr austragen müssen, werden Kunden erst nachmittags beliefert – falls der Zusteller es schafft

Von Sigrid Kneist

und Cay Dobberke

Viele Berliner Postkunden bekommen ihre Briefe jetzt deutlich später als bisher. Häufig erreichen die Sendungen erst nachmittags ihre Empfänger – und manchmal fällt die Zustellung sogar aus. Denn viele Briefträger sind überlastet, weil sie längere Routen absolvieren müssen. Beschwerden gibt es aus Wilmersdorf und Charlottenburg, aber auch aus Friedrichshain, Mitte, Tempelhof-Schöneberg und Zehlendorf, seit die Deutsche Post AG dort die Zustellbezirke veränderte.

So kritisiert eine Tiergartener Anwaltskanzlei, der Briefträger habe die Sendungen monatelang erst gegen 16 Uhr ausgeliefert – sieben Stunden später als gewohnt. Erst nach Beschwerden habe sich die Zustellung seit wenigen Tagen „auf etwa 12 Uhr eingependelt“.

Für den Innenstadtbereich, wo die Postleitzahlen mit 10 anfangen, ist die Zahl der Zustellbezirke im Zuge der Umstrukturierung von einst 750 auf 680 reduziert worden. Hier ist seit Beginn des Monats der Neuzuschnitt abgeschlossen, sagt die Betriebsratsvorsitzende Ricarda Huhmann. Wie Huhmann sagt, klagen viele Zusteller über die Vergrößerung ihres Bezirkes. Immer wieder komme es vor, dass ein Postbote seine Tour abbrechen muss, wenn er nach mehr als zehn Stunden – der gesetzlich zulässigen Höchstarbeitszeit – noch nicht alle Sendungen verteilt hat. Für manche Kunden bedeute dies, dass sie keine Post erhalten. In der Regel würden diese Haushalte am nächsten Tag zuerst bedient.

Besonders angespannt war in der letzten Zeit die Situation am Zustellstützpunkt Uhlandstraße in Wilmersdort. Hier kamen viele Zusteller in ihrer Arbeitszeit mit der Verteilung nicht hinterher. Bisher beginnt die Arbeit regulär um 7 Uhr. „Aber schon heute kommen Kollegen eine Stunde früher, um ihr Pensum zu schaffen“, sagt der Sekretär der Gewerkschaft Verdi, Stephan Teuscher.

Die Berliner Niederlassung der Deutschen Post AG bestreitet jedoch, dass stundenlange Verzögerungen die Regel seien. Es gehe um Einzelfälle, in denen bestimmte Häuser vom Anfang einer Route an deren Ende „gerutscht“ seien, sagte eine Sprecherin. „Die Zahl der Zusteller sinkt nicht.“

Eine Mehrbelastung ergibt sich nach Verdi-Angaben auch daraus, dass von den Briefzustellern zusätzlich Waren- und Buchsendungen ausgetragen werden. Zudem gibt es immer mehr Massensendungen, die an einem bestimmten Tag den Kunden erreichen sollen. „Wenn am Wochenende beispielsweise die Broschüre „Einkauf aktuell“ verteilt wird, bedeutet das für manche Zusteller, dass sie an diesem Tag 60 Kilogramm mehr austragen müssen“, sagt Verdi-Sekretär Teuscher. „Einkauf aktuell“ ist ein posteigenes Testprodukt: Ein Fernsehprogramm wird zusammen mit verschiedenen Katalogen von Partnerfimen in Folie geschweißt und an bis zu 1,6 Millionen Berliner Haushalte verschickt.

Doch nicht allein die spätere Zustellung der Briefe ärgert Kunden. Häufig versuchen auch Paketzusteller offensichtlich gar nicht erst, Päckchen und Pakete abzugeben. Die Adressaten finden Benachrichtigungszettel im Briefkasten, obwohl sie zu Hause waren.

Zur Startseite