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Berlin: Die besten Seiten der Oranienstraße

Morgen ist 7. Lange Buchnacht. Aber auch sonst macht S036 von sich lesen

Wer in der Oranienstraße wohnt, liest offenbar gerne. Sechs Buchhandlungen, sieben Druckereien und zwei Verlage finden sich in den Gelben Seiten mit Einträgen unter der Adresse. Die meisten von ihnen beteiligen sich an einem Ereignis, das am Sonnabend wieder viele Leselustige nach SO 36 locken wird: die 7. Lange Buchnacht. Um 14 Uhr beginnt hier das Programm, das nicht nur in den Buchgeschäften läuft, sondern auch in Kneipen und Hinterhofwerkstätten. Mehr als 30 Geschäftsleute haben Autoren auf eigene Kosten eingeladen, Workshops und Ausstellungen organisiert. Autoren wie Jakob Hein, Ines Geipel und Dilek Güngör wollen kommen.

Mittlerweile melden sich die Verlage von selbst bei den Organisatoren und wollen ihre Autoren lesen lassen: Das Publikum der Oranienstraße ist gefragt. Es interessiert sich zum Beispiel für italienische Literatur, die sich in Stefanie Hetzes Laden „Dante Connection“ am Oranienplatz stapelt. Bei ihr gibt es aber auch afrikanische Belletristik und ausgesuchte Kinderbücher in verschiedenen Sprachen. Hier, sagt die blonde Frau lächelnd, gibt es Platz für Nischen, für Läden wie ihren. Innerhalb der Riesenstadt Berlin wirkt die Oranienstraße wie ein Dorf, man kennt und grüßt sich. Neulich stand ein Afrikaner in Stefanie Hetzes Geschäft, und entpuppte sich als Spezialist für türkische Literatur. „Es mischt sich einfach alles“, sagt die Buchhändlerin.

Gegenüber wird die „Makabar“ gerade mit Hochdruck renoviert. Zur Buchnacht muss das Lokal fertig sein. Schauspieler Birol Ünel ist gerade da, schaut sich den halbfertigen Laden an. Er liest zur Langen Nacht im „Bateau Ivre“ ein paar Häuser weiter Werke von Rimbaud. Bar-Betreiber Coskum Öztek lässt seit drei Jahren Autoren bei sich lesen. „Es gibt eine neue Szene“, sagt der 32-Jährige. Das sei Filmemachern wie Fatih Akin oder Schauspielern wie Ünel zu verdanken, die ihre Kultur in die Gesellschaft getragen haben, ohne sie zu beschönigen. Auch türkische Musik werde hip, sagt Öztek, deutsche Kunden erkundigten sich nach den Interpreten. „Das wollte ich schon längst machen.“

Einige Meter weiter versteckt sich unter einer blau-weißen Markise das „Anti-Quariat“ von Udo Koch. Früher gab es hier linke Literatur, heute kauft der Buchhändler gebrauchte Bücher zu allen Themen auf, „nur nichts Faschistisches“. Die Regale im Laden reichen bis zur Decke. „Die Oranienstraße ist dreigeteilt“, sagt Koch. Zuerst sei da der Abschnitt mit der Bundesdruckerei, wo es fast nur Büros gebe. Dann folge ein Stück „Niemandsland“ zwischen Moritzplatz und Oranienplatz. Hier ist Udo Koch 1987 hergezogen, aus dem dritten, dem Multikulti-Teil der Straße, den Touristen immer sehen wollen. Dort befinden sich die meisten Bücherläden. Die Oranienstraße ist von der Nähe zum historischen Zeitungsviertel geprägt, selbst wenn die meisten kleinen Druckereien, die Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden, verschwunden sind. Auch die alternativen Druckereien der 60er sind weg.

In der Prinzessinnenstraße 20 lebt die Druckertradition fort. Wolfgang Jörg betreibt im fünften Stock mit seiner Frau Ingrid die „Berliner Handpresse“. Sie stellen Bücher her, die in einer Auflage von 300 Exemplaren erscheinen. 1961 hat Wolfgang Jörg angefangen, zur Langen Nacht öffnet er die Druckerei von 18 bis 22 Uhr 30. Im Atelier hängen afrikanische Masken von Ausstellungsreisen neben alten Maschinen und hunderten von schwarzen Einbänden. Wolfgang Jörg setzt die Lettern in die Druckpresse ein, die demnächst hundert Jahre alt wird und für die es keine Ersatzteile mehr gibt. Ingrid Jörg schnitzt die Linoldruckmotive und druckt sie mit einer handbetriebenen Presse. Unter den Autoren der Jörgs sind Felicitas Hoppe, Brigitte Burmeister und Christoph Hein. Vor dem Mauerfall waren oft Ostautoren zu Gast. Die Jörgs brachten sie meistens zurück zur Grenze. Und Sarah Kirsch stellte hier ihre Möbel unter, als sie nach West-Berlin übersiedelte.

7. Lange Buchnacht, 23. April ab 14 Uhr, Eintritt frei, Infos unter 6157658, Programm unter www.lange-buchnacht.de.

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