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Die Hauptstadt verschenkt Geld: Berlin ist schwer verschuldet - aber lässt sich 50 Millionen entgehen

Berlins Straßen sind miserabel - doch statt so viele wie möglich zu reparieren, lässt das Land sogar 50 Millionen Euro an Bundeshilfen dafür verfallen. Wegen Personalmangel, sagt die Regierung von Klaus Wowereit. Die Opposition vermutet ganz andere Gründe.

Personalknappheit – oder politisches Versagen? Konträr fielen am Sonntag die Erklärungen zu einer Nachricht aus, die nicht nur Berlins Landespolitiker verärgert zur Kenntnis nahmen. 50 Millionen Euro, die Berlin für Sanierung und Ausbau von Fernstraßen zustanden, wurden im vorvergangenen Jahr vom Land nicht benutzt und flossen an den Bund zurück – während Länder wie Bayern, Niedersachsen und Hessen deutlich mehr Bundesgeld für Bau und Sanierung ihrer Straßen bekamen als geplant.

Wie konnte das passieren, wo doch die der Berliner Haushalt nach wie vor jeden Euro von außerhalb dringend gebrauchen kann? Christian Gaebler (SPD), der als Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung die Verantwortung für derartige Projekte hat, führt dies unter anderem darauf zurück, dass die seit Jahren geschrumpfte Berliner Verwaltung nicht mehr genug Mitarbeiter habe, um die nötigen Anträge für derartige Förderungen zu erarbeiten. Länder wie Bayern hätten systematisch „Schubladenprojekte“ vorbereitet, die man hervorhole, falls es mal bei einem anderen Projekt zu Verzögerungen oder Ausfällen komme. „Dazu haben wir nicht die Ressourcen, weil man uns die systematisch weggestrichen hat“, sagt Gaebler – und meint damit den von Senat und Abgeordnetenhause verordneten Sparkurs der vergangenen Jahre. So sei die Tiefbauabteilung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in den vergangenen zehn Jahren auf die Hälfte ihrer einstigen Größe geschrumpft, die Verkehrsabteilung ebenso. Daher gebe es in seiner Verwaltung immer weniger Fachleute, die Anträge wie in diesem Fall für die finanzielle Förderung von Straßenbaumaßnahmen erarbeiten könnten.

Während in politisch als zentral erachteten Bereichen wie bei den Lehrern, Polizisten oder Feuerwehrleuten nichts gespart werde, habe die Stadtentwicklungsverwaltung „null Spielräume, um so etwas vorzubereiten“. Dabei gebe es in Berlin durchaus Bedarf für mehr Bundesgeld zur Fernstraßensanierung, wie Gaebler sagt. Gerade auf der Stadtautobahn könnte das Land angesichts vieler Brücken und Straßenabschnitte aus den 1970er Jahren „durchaus mehr machen, wenn wir das Personal hätten“. Katrin Lompscher, einst Bezirksstadträtin für Stadtentwicklung in Lichtenberg, dann Senatorin und jetzt stadtentwicklungspolitische Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, hält den Personalmangel nur für einen Faktor des Problems. Ebenso wichtig seien „Planungsfehler“ der Verwaltungen, die oft durch mangelnde Abstimmung aller Beteiligten zu erklären seien – und die bei vielen Straßenbauprojekten zu Verzögerungen führten, wegen derer dann wiederum Gelder nicht wie geplant abgerufen würden. Sie vermutet allerdings, dass hinter der Benachteiligung Berlins beim Straßenbau gerade gegenüber Bayern auch eine politische Seilschaft steckt. So sei es wohl kein Zufall, dass die Umverteilung in die von 2009 bis 2013 dauernde Amtszeit von Peter Ramsauer (CSU) als Bundesverkehrsminister falle. „Die Bayern hatten da möglicherweise einen Wissensvorsprung, wenn es ums Geld ging.“

Dazu kommt, dass der seit Ende 2011 regierende SPD-CDU-Senat im Gegensatz zu der Vorgängerregierung auch in anderen Bereichen Fördergelder in großer Höhe verfallen lasse. Als Beispiel nennt Lompscher die Senatswirtschafts- und die Arbeitsverwaltung. „Unter Rot-Rot ist viel weniger verschenkt worden.“ Das bestätigt auch der Grünen-Haushaltspolitiker Jochen Esser. „Die Infrastrukturpolitik dieser Koalition ist ein Drama“, sagt er. Wenn Christian Gaebler das mit fehlendem Personal begründe, sei der Staatssekretär gefordert, mehr Mitarbeiter in diesen Bereich einzustellen, sagt Esser. „Das muss besser werden“, sagt auch der CDU-Verkehrspolitiker Oliver Friederici, der die Ursache des Problems wie Gaebler vor allem im Personalmangel der Verwaltung sieht. So beschäftige die Stadt München mit ihren knapp 1,4 Millionen Einwohnern deutlich mehr Bauingenieure als das zweieinhalb mal so große Berlin. Neben den Sparvorgaben für die Verwaltung sei das Problem aber auch dadurch zu erklären, dass qualifizierte Bauingenieure oft eher in die Privatwirtschaft gingen, da es dort mehr zu verdienen gebe.

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