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Entblättert. Berliner gelten in internationalen Reiseführern übereinstimmend als liberal und feierfreudig.

© Kai-Uwe Heinrich/TSP

Reiseführer über Berlin: Die Stadt mit den Partys

Ausländische Reiseführer verkaufen Berlin als Lebensgefühl. Glaubt man ihnen, lassen sich die Stadt und ihre Bewohner am besten so beschreiben: immer auf Achse, höflich, aber selten freundlich.

„Auch du kannst ein Berliner sein“, verspricht der kultige englischsprachige Berlin-Guide von Lonely Planet. Wie das geht? Ganz einfach: „Besorgt euch diese sündhafte kleine Tätowierung, verbringt Stunden beim Frühstück und beobachtet von einem Aussichtsplatz im Café oder Biergarten, wie die Welt vorbeizieht.“ Alternativ wird Schnäppchenjagd auf dem Flohmarkt empfohlen, um das ultimative Lebensgefühl Berlin zu inhalieren.

Berliner, so sehen es Reiseführer für ausländische Touristen, sind entspannt und gleichzeitig darauf aus, das Leben bis zum Letzten auszuschöpfen. Sie trinken viel, laut Lonely Planet, rauchen zu viel, feiern reichlich Partys und haben eine extrem liberale Einstellung zum Thema Sex, was dazu geführt hat, dass die Stadt auch einer der größten und besten Spielplätze für Schwule und Lesben geworden ist: „Homopolis“. Die Tage der Berliner, erfährt der Tourist, sind mit Aktivität gefüllt, wenn auch nicht notwendigerweise mit Arbeit. Man ist immer unterwegs irgendwohin, ins Theater, ins Kino, in die Kneipe, ins Fitnesscenter oder in alles auf einmal. Touristen dürften erwarten, einigermaßen höflich behandelt zu werden, sollten aber nicht damit rechnen, dass aus Höflichkeit rasch Freundlichkeit wird.

Easyjetter, die Berlin mit Lonely Planet im Rucksack entern, erfahren im Kapitel Nightlife, wie heftig Berliner Partys feiern und dass man besser eine gehörige Portion Ausdauer mitbringt, um da mitzuhalten, zumal die Clubs voll sind von der Abenddämmerung bis zum Sonnenaufgang. Als erste Partymeile empfiehlt Lonely Planet die Köpenicker Straße, weil man mit einem schicken Abendessen bei Spindler & Klatt starten, dann eine Caipirinha bei Kiki Blofeld zu sich nehmen und schließlich im Tresor oder KitKatClub die Nacht beenden kann. Mehr für den Grunge-Geschmack und bestens geeignet für ein „Drink-a-thon“, ein Saufmarathon also, sei die Gegend zwischen Kottbusser Tor und Oranienstraße.

Dem Thema Trinken ist ein eigenes Kapitel gewidmet, denn Berlin ist definitiv ein Ort für „Boozers“, weil man den ganzen Tag Alkohol bekommt. Besonders für jüngere Amerikaner dürfte die Liste mit den Altersbeschränkungen ein echter Thrill sein. Während sie sich zu Hause erst ab 21 ein Bier bestellen dürfen, ist das in Berlin schon ab 16 möglich. Allerdings gibt es in diesem Kapitel auch einen Abschnitt zum Thema „Etikette“. Trinken in der Öffentlichkeit sei zwar erlaubt, aber man solle trotzdem zivilisiert damit umgehen und nicht in die U-Bahn kotzen. Die „Don’ts“ raten davon ab, über den Zweiten Weltkrieg in Siegerpose zu sprechen, unpünktlich zu sein bei Essenseinladungen und davon auszugehen, dass man mit Kreditkarte bezahlen kann.

Wer die Stadt mit dem Eye-Witness-Travel-Guide erobert, erfährt, was man trinken und essen muss, Bier, Wein, Berliner Weiße oder Spreequell, Kassler Nacken, Leber, Landente – und Currywurst.

Die Vergangenheit gehört zu den Hauptattraktionen, nicht nur bei den Souvenirs. Time Out Berlin widmet eine ganze Seite dem DDR-Design-Hotel Ostel, das zwei ehemalige Mitglieder des DDR-Staatszirkus mit originalem DDR-Mobiliar ausgestattet haben.

Lonely Planet verspricht Gänsehaut bei der Begegnung mit den Geistern der Vergangenheit, als die Stadt noch ein Tummelplatz war für sowjetische Spione und CIA-Agenten und außerdem ein Schauplatz spektakulärer Fluchten.

Man sollte gar nicht erst daran denken, mit dem Auto zu kommen, sondern lieber den viel gelobten öffentlichen Nahverkehr nutzen oder gleich mit dem Fahrrad fahren, ist eine einhellige Empfehlung.

Das Hauptaugenmerk richten die Reiseführer auf die Kultur- und Kunstszene, weil die Stadt da, wie auch bei den Preisen, einzigartig sei. Berlin sei nicht nur die Hauptstadt der Rebellen, sondern auch der Schokoladenläden, schwärmt etwa Time Out. Im europäischen Vergleich sei Berlin eine der billigsten Städte überhaupt, hat Eye Witness Travel festgestellt und empfiehlt dem Billigreisenden den Besuch einer „Volksküche“, womit wohl die wohltätigen Suppenküchen gemeint sein könnten. Lonely Planet rät hingegen zu Guerilla Restaurants, in denen sich Fremde bei privaten Dinner-Partys treffen. Die würden sich in Berlin so schnell vermehren, „wie Kaninchen auf Viagra“. Time Out vermerkt, dass es wohl nirgendwo so viele verborgene Konzept-Geschäfte gibt, in denen die Grenzen zwischen Shopping, Nachtleben, Mode, Kunst und Lifestyle verschwimmen. Es tröstet zudem fromme Gäste aus Übersee im Serviceteil unter dem Titel „Religion“, dass Berlin doch nicht ganz so gottlos sei und führt einen Link auf, unter dem man Gottesdienste finden kann.

Am unterhaltsamsten und auch enthusiastischsten ist Lonely Planet. Demnach kann man London und New York vergessen, wenn es um Kunst geht. Trotz Verschuldung und Arbeitslosigkeit feuere Berlin bei Mode, Kunst, Design und Musik aus allen Rohren. Der ständige Zustrom internationaler Kreativer habe Berlin in einen Kessel kultureller Coolness verwandelt, ähnlich wie das New York der 80er Jahre.

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