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Heinz Vietze.

© dpa

Heinz Vietze: Die Vergangenheit kehrt zurück

Er habe sich mit seiner Rolle zu DDR-Zeiten auseinandergesetzt, hieß es lange über den früheren SED-Funktionär Heinz Vietze – jetzt holt ihn diese Zeit wieder ein.

Potsdam - Es war ein bemerkenswerter Ausbruch von Ralf Holzschuher, dem Fraktionschef der SPD im brandenburgischen Landtag: Das „Ungeheuerliche“ in Bezug auf Heinz Vietze, erklärte Holzschuher am Dienstag, sei nun wahrlich nie gewesen, dass er auch mal inoffizieller Mitarbeiter der Stasi gewesen sei, sondern dass er als letzter SED–Bezirkssekretär in Potsdam vor 1989 schließlich hochrangiger Funktionsträger war, etwa „an Listen für Internierungslager“ beteiligt gewesen sei. Den Begriff „ungeheuerlich“ in Verbindung mit Heinz Vietze hatte man von hochrangigen Vertretern der brandenburgischen SPD nicht gehört in den letzten zwei Jahrzehnten, in denen der frühere SED-Funktionär in Brandenburg zu den einflussreichsten Politikern gehörte. Einer, an dem niemand vorbei kam. Und einer, der als PDS-Stratege hinter den Kulissen mit dafür gesorgt hatte, dass die PDS Manfred Stolpe als einzigen SPD-Regierungschef im Osten stützen und nicht stürzen wollte.

Doch nun ist genau dieser Heinz Vietze, der von 1990 bis 2009 im Landtag war, als parlamentarischer Geschäftsführer der PDS-Fraktion unter dem Vorsitzenden und damaligen Bundeschef Lothar Bisky als „graue Eminenz“ und Strippenzieher der Bundespartei galt und heute die Linke-nahe Rosa-Luxemburg-Stiftung führt, in den Mittelpunkt der jüngsten Auseinandersetzung um die Enquete-Kommission zur SED-Diktatur geraten. Im jetzt vorgelegten Gutachten zur Stasi-Überprüfungspraxis nach der Wende wird es als „unerklärlich“ bezeichnet, dass ausgerechnet Vietze im Abschlussbericht der aus zwei kirchlichen Würdenträgern bestehenden Überprüfungskommission vom November 1991 nicht auftauchte, ja mit keinem Wort erwähnt wurde. Die Hintergründe sind nach wie vor unklar.

Dabei war nach dem damals bereits vorliegenden Bescheid der Stasi-Unterlagenbehörde Vietze in seiner damaligen Funktion als Sekretär der Kreisleitung der SED-Jugendorganisation FDJ vom Mai 1972 bis Mai 1975 als GMS „Heinz“ geführt, also als gesellschaftlicher Mitarbeiter Sicherheit, einer IM-Kategorie für partei- und systemnahe Personen. Später wurde diese Erfassung eingestellt, weil Vietze Karriere im hauptamtlichen Apparat von FDJ und SED machte. Diese IM-Tätigkeit selbst ist nicht neu, war bereits 1999 vom RBB-Magazin „Klartext“ öffentlich gemacht und von Vietze auch nicht bestritten worden. Er hatte immer erklärt: „Ich musste keine Berichte für die Stasi schreiben. Sie wurden für mich geschrieben.“

Und trotzdem hatten sich im Brandenburger Landtag der Nachwendezeit Spitzen-Politiker aller Fraktionen mit Vietze arrangiert, die einen früher, die anderen später: So hatte der heutige Regierungschef Matthias Platzeck als Mitglied der Fraktion Bündnis 90 und Umweltminister 1991 noch erklärt, dass im Landtag eigentlich kein Abgeordneter zurücktreten müsse, wenn Vietze bleibe. Und auch der damalige SPD-Landeschef Steffen Reiche hatte, woran das Gutachten erinnert, damals die Stasi-Überprüfung im Landtag unter Verweis auf Vietze kritisiert: Dort säßen Leute, „die mehr Verantwortung für das Unrecht im alten System tragen als die jetzt als belastet herausgefischten“.

Später verstummten solche Töne. Vietze blieb zwar umstritten. Doch hatte er, wie ihm im Laufe der Jahre selbst politische Gegner abnahmen, offener als andere SED-Kader mit seiner Vergangenheit gebrochen. So schloss Platzeck, der vor 1989 als Bürgerbewegter in Potsdam mit Vietze aneinandergeraten war, 2007 seinen Frieden mit dem Ex-SED-Funktionär, der für ihn vorher lange eine rotes Tuch war: Zwei Jahre vor der rot-roten Koalition zollte Platzeck auf dem Empfang zu Vietzes 60. Geburtstag diesem „Respekt“ für die selbstkritische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, und zwar „im Namen der Landesregierung“, was damals Irritationen auslöste. Es regierte schließlich noch die SPD/CDU-Koalition. Doch selbst Jörg Schönbohm, damals CDU-Landeschef, Innenminister und früherer Bundeswehrgeneral, kam ein Jahr später zu einem ähnlichen Ergebnis: Er hatte keine Berührungsängste, auf einer Veranstaltung in der Prignitz mit Vietze über „Linke Werte und preußische Tugenden“ zu diskutieren, eine Veranstaltung, auf der es auch um Vietzes Rolle im SED-Regime ging. Danach konzedierte ihm Schönbohm, wie „menschlich überzeugend“ sich Vietze mit dem SED–Regime und seiner eigenen Schuld auseinandergesetzt habe. Thorsten Metzner

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