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East Side Gallery: Bröckelnder Protest

Der Protest um das Bauvorhaben an der East Side Gallery scheint abzuflauen. Trotz Sonnenschein und prominenter Unterstützer kamen am Sonntag nur noch wenige Menschen zur Protestveranstaltung am Mauerdenkmal.

Trotz prominenter Unterstützung, einem arbeitsfreiem Tag und der ersten Dauerbesonnung des Jahres haben sich am Sonntag keine 200 Demonstranten an der East Side Gallery versammelt. Zuletzt war mit deutlich mehr gerechnet worden, immerhin kamen vor einigen Wochen fast 10000 Menschen, um gegen das Bauvorhaben von Investor Maik Uwe Hinkel zu protestieren. Allerdings: Damals war es zwar kälter, aber der eigens angereiste US-Schlagerstar David Hasselhoff wärmte offenbar die Herzen. An diesem Sonntag nun hat sich um die Bühne des Protestbündnisses nur ein kleiner Pulk versammelt, sieht man von den zahlreichen Fotografen mal ab.

Immerhin, neben Rainer Eppelmann, zur Wende als oppositioneller Pfarrer und CDU-Politiker bundesweit bekannt geworden, ist auch Ben Becker vor Ort. Der Schauspieler – Sonnenbrille, Totenkopfring, offene Lederjacke – steckt sich eine Zigarette an, streicht das blonde Haar nach hinten, lauscht ein paar Minuten den Reden von der Bühne und geht wieder. Die Organisatoren des Protestes richten aus, Becker wolle demnächst an der Mauer eine Lesung halten – und zwar aus den Akten des Inoffiziellen Stasi-Mitarbeiters „Jens Peter“ aus Zwickau. Hinter dem Decknamen – so Vorwürfe von Kritikern – soll sich Investor Hinkel verbergen, der an der East Side Gallery ein Haus mit Luxuswohnungen errichten will. In Zwickau habe er in Kirchenkreisen gespitzelt, hieß es schon zu Ostern am Rande der Proteste gegen sein Bauprojekt. Hinkel bestreitet das entschieden. Bewiesen ist der Vorwurf nicht.

Und so geht Rainer Eppelmann, der in der untergehenden DDR der letzte Minister für Abrüstung und Verteidigung war, nicht auf die Vorwürfe ein. Vielmehr erklärt er den oft erstaunlich jungen Anwesenden, weshalb selbst Teile der East Side Gallery nicht für ein Bauprojekt umgehoben werden sollten. Aus den „Resten des schrecklichen Baus“ von einst sei „ein Kunstwerk“ geworden, dessen Erhalt mahne und zu achten sei. Im Kampf um die Kompletterhaltung wünscht er „viel Erfolg uns allen“ – was eine Frau im Tanktop und mit Nasenring zur leisen Frage verleitet, wer der Mann eigentlich sei. Ihr Freund, eine Zigarette drehend, murmelt: „Auf jeden Fall wichtig.“

Zuvor hatte die Fernsehschauspielerin Ellen Rappus für die DDR-Opfer-Hilfe gesprochen. Sie forderte vom Senat, dieses „geschichtsvergessene Treiben“ zu beenden. „Die East Side Gallery muss bleiben – dieses Mauerdenkmal gehört zu Berlin wie die Freiheitsstatue zu New York.“ Verhalten wird applaudiert. Viele Zuhörer hat die Sonne wohl müde gemacht. Dazu dürften auch die Biere, die unter den Protestlern kreisen, beigetragen haben. Einige der jungen Frauen und Männer sehen so aus, als kämen sie gerade aus den Clubs, die im Friedrichshainer Süden am Sonntagmittag noch gut gefüllt sind. Kürzlich wurde ein Mauerstück herausgetrennt, um eine Bauzufahrt zu schaffen. Nach den Protesten wurden die Arbeiten vorerst eingestellt. Vor der Zufahrt steht die Polizei, auf dem Grundstück selbst steht bloß ein Wachmann in der Sonne und wartet.

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