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Bruno Pellegrini musste sein Bistro-Inventar einlagern.

© Björn Kietzmann

Großflughafen BER: Ein Jahr nach der verschobenen Eröffnung

Am 8. Mai 2012 wurde die Eröffnung des neuen Großflughafens abgesagt. Ein Schock für Tausende, die dort arbeiten wollten. Und wie geht’s ihnen heute?

Von Sandra Dassler

Vor einem Jahr war Maria Weber  überglücklich. Schließlich hatte die 32-jährige Brasilianerin, die seit zwölf Jahren in Berlin lebt, endlich eine Arbeitsstelle gefunden, eine gut bezahlte dazu. Schon lange hatte sich die Frau von ihrem Mann trennen wollen, der sie und ihre beiden Kinder nicht gut behandelte. Ohne Job war ihr das Risiko zu groß gewesen. Nun aber zog sie einen Schlussstrich und in eine neue Wohnung nach Schönefeld.

Denn dort, am neuen Großflughafen, sollte sie laut bereits unterschriebenem Vertrag zwei Wochen vor der geplanten Eröffnung am 3. Juni 2012 mit ihrer Arbeit beginnen. Sie kaufte eine Küche, richtete sich ein, doch dann kam bekanntlich alles anders. Die letzte Hoffnung von Maria Weber, die ihren wahren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, zerbrach, als das Geschäft, in dem sie arbeiten sollte, auch keine Ladenfläche am alten Schönefelder Airport erhielt. „Ich weine, wenn ich das Wort Flughafen höre“, sagt sie: „Ich habe seither trotz vieler Versuche und Fortbildungen und obwohl ich mehrere Sprachen beherrsche, kein Stellenangebot bekommen und eigentlich fast den Mut verloren.“

Nicht alle traf es so hart, aber die Nachricht von der abgesagten Flughafeneröffnung vor einem Jahr hatte – auch, weil sie so kurzfristig erfolgte – Auswirkungen auf das Leben tausender Menschen: Menschen, die ihre alten Jobs gekündigt hatten, die extra aus dem In- oder Ausland nach Berlin gezogen waren, die im Vertrauen auf die Airporteröffnung neue Firmen gegründet und oft sogar viel Geld dafür investiert hatten.

Hans-Jörg Schulze wollte mit seinen drei Bussen zum BER fahren.
Hans-Jörg Schulze wollte mit seinen drei Bussen zum BER fahren.

© privat

Kein Schadenersatz für BER-Mieter

Hans-Jörg Schulze beispielsweise, geschäftsführender Gesellschafter des Spandauer Busunternehmens Haru-Reisen, hatte 800 000 Euro für drei spezielle Busse bezahlt, mit denen er ab dem 3. Juni 2012 eine Schnellbuslinie von Steglitz zum BER eröffnen wollte. Er hatte auch neue Mitarbeiter eingestellt und immer wieder auf die immer neu in Aussicht gestellten Eröffnungstermine gehofft. „Vielleicht können wir im Sommer ein paar andere Fahrten mit den Bussen machen“, sagt er: „Aber wenn wir bis zum Herbst nicht wissen, wann der Flughafen in Betrieb geht – und zwar egal, ob komplett oder scheibchenweise – dann müssen wir die Busse verkaufen.“ Schulze rechnet mit etwa 150 000 Euro Wertverlust und einem Gesamtschaden von mehr als einer Viertelmillion Euro. Ob er je eine Entschädigung dafür erhält, ist unklar. Die Anwälte raten, erst die gerichtliche Entscheidung über die Feststellungsklage von Air Berlin auf Schadenersatz gegen den Flughafenbetreiber abzuwarten, sagt er: „Unser Problem ist, dass wir im Gegensatz zu den Händlern und Gastronomen am BER keinen Vertrag mit der Flughafengesellschaft hatten“.

Schadenersatz haben die Mieter allerdings bisher ebenfalls nicht bekommen. Sie blieben nach der kurzfristigen Absage auf bereits gekauften Waren sitzen, mussten für eingestellte Mitarbeiter und aufgenommene Bankkredite zahlen und bestellte Möbel zwischenlagern.

Einige BER-Geschäfte weichen auf Tegel aus

Bruno Pellegrini beispielsweise, der nahe dem S-Bahnhof Westend das italienische Restaurant „Ana e Bruno“ betreibt, hatte die Innenausstattung für sein am neuen Airport geplantes Bistro in seiner Heimat bestellt. Fast anderthalb Jahre lagert sie nun schon in der Toscana, die Kosten übernimmt natürlich Pellegrini. Der 53-Jährige hatte wie andere BER-Mieter eine Klage erwogen, dann aber dem Versprechen geglaubt, dass die Verantwortlichen zwar keine Entschädigung zahlen, wohl aber über eine Art Kompensationsgeschäft nachdenken würden. Und jetzt, ein Jahr danach, ist es perfekt: Pellegrini eröffnet erst mal ein Bistro am Flughafen Tegel, und er ist glücklich darüber: „Es hat zwar nur etwa ein Drittel der Fläche, die wir am BER hätten, aber wir freuen uns, endlich loslegen zu können.“

Auch Beatrice Posch, die längst ihr Spielzeuggeschäft „Die kleine Gesellschaft“ am neuen Großflughafen betreiben wollte, hat jetzt eine Ladenfläche in Tegel erhalten. Sie hatte vor einem Jahr mehr als 6000 Euro für die Abbestellung von Waren bezahlt und muss seither einen Kredit trotz ausbleibender Ausgaben bedienen. „Ich bin sehr glücklich über die Möglichkeit, erst einmal in Tegel mein Spielzeug zu verkaufen“, sagt sie.

Beatrice Posch bekommt erstmal ein Spielzeuggeschäft am Airport Tegel.
Beatrice Posch bekommt erstmal ein Spielzeuggeschäft am Airport Tegel.

© Mike Wolff

Doch was des einen Freud’, ist des andern Leid. Die Flughafengesellschaft hat laut Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) den Mietvertrag für acht Geschäfte des Gastronomie-Unternehmens SSP am Flughafen Tegel nicht verlängert. 62 Mitarbeiter sollen davon betroffen sein. Dass dies im Zusammenhang mit den Angeboten für die verhinderten BER-Gastronomen und -Händler in Zusammenhang steht, hat Flughafensprecher Ralf Kunkel am Sonntag dem Tagesspiegel gegenüber strikt verneint: „Außerdem hat bislang kein BER-Mieter geklagt oder Schadenersatz gefordert.“

Maria Weber weiß gar nicht, wen sie vor einem Jahr hätte verklagen sollen. Sie wohnt immer noch in der Wohnung in Schönefeld, die jetzt das Jobcenter zahlt, und sucht nach Arbeit oder einer berufsbegleitenden Ausbildung als Erzieherin. „Wenn ich die Politiker oder Flughafenchefs in der Zeitung sehe, denke ich immer, die wissen gar nicht, was das Fiasko vor einem Jahr für viele Menschen bedeutet hat und immer noch bedeutet. Vielleicht ist es ihnen auch egal.“

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