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Seit die neuen Flugrouten am Großflughafen Schönefeld festgelegt sind, wird der Konflikt mit immer größerer Vehemenz ausgetragen. Sogar eine Ost-West-Debatte entwickelt sich - mehr als 20 Jahre nach der Wende.

© dpa

Flugrouten am Flughafen Schönefeld: Einwohner-Frust über Flugrouten wird immer größer

Seit die Flugsicherung ihre Routen vorgestellt hat, wird über einen Ost-West-Konflikt gestritten. Die Planer hingegen sagen: Am Wind und an der Geografie können wir nichts ändern.

Der Frust der Friedrichshagener sitzt tief. Wenn niemand interveniert, wird der Müggelsee zukünftig bei Ostwind überflogen. Der Routenvorschlag wird jetzt vom Umweltbundesamt und dem Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung geprüft. Dass Flugzeuglärm sich nicht gerade förderlich auf den Erholungswert auswirken dürfte, hat aber auch die Flugsicherung erkannt und denkt jetzt über eine Alternative nach: Zumindest an Wochenenden soll eventuell auf das Überfliegen von Wäldern und Wasser verzichtet werden. Den Krach bekäme dann allerdings vor allem Erkner ab. „Dieser Konflikt ist bei dem gewählten Standort nicht lösbar“, sagte Robert Ertler, der Routenplaner bei der Deutschen Flugsicherung.

Seit sie ihre neuen Routen vorgestellt hat, diskutiert die Stadt wieder über den Ost-West-Konflikt. Zumal Linken-Bundestagsfraktionschef Gregor Gysi angekündigt hatte, gegen die neuen Flugrouten am künftigen Großflughafen in Schönefeld vorgehen zu wollen. Die Pläne, Maschinen über den Müggelsee zu schicken, sei ein Affront gegen den Osten, sagte Gysi dem Tagesspiegel. „Ich kann nicht akzeptieren, dass man sagt, wir schonen West-Berlin und schicken die Flugzeuge über den Osten – als ob der Müggelsee einschließlich der Bewohner drum herum keinen Wert hätte.“

Routenplaner Ertler hält von dieser Debatte gar nichts. „Wir können uns den Wind doch nicht aussuchen“, sagt er. Flugzeuge starten – und landen – grundsätzlich gegen den Wind. Einer bekomme den Krach immer ab: Bei Ostwind die Region um den Müggelsee oder Erkner. Insofern beruhe der Streit um den Lärm und die Routen auf einem reinen Ost-Ost-Konflikt. Ähnlich argumentiert auch der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD). Andere mutmaßen, dass es sich beim Kampf um den Müggelsee vielleicht eher um einen verzweifelten Versuch der Linken handelt, im Wahlkampf wieder im Ostteil der Stadt zu punkten.

Dass die Flugzeuge den Wannsee mit erheblich mehr Höhe überqueren als den Müggelsee liegt laut Ertler schlicht daran, dass der Weg im Westen länger sei und die Maschinen bis zum Überqueren von Wannsee höher steigen können als über dem Müggelsee. Wannsee darf nur in einer Höhe von mindestens 8000 Fuß (2,4 Kilometer) überflogen werden; also mehr als doppelt so hoch wie am Müggelsee, wo die Flugzeuge erst 3500 Fuß (1,1 Kilometer) erreichen können. Dies sei einzig und allein geografisch bedingt. Und was die Linke nicht berücksichtigt: Wannsee wird laut Flugsicherung deutlich häufiger überflogen als die Gebiete im Osten, denn meist wehe der Wind aus Westen. Im Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre gab es nach Angaben von Flughafensprecher Leif Erichsen an rund 250 Tagen Westwind.

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In der Fluglärmkommission habe es deshalb auch keinen Ost-West-Konflikt gegeben, sagte der Bezirksbürgermeister von Steglitz-Zehlendorf, Norbert Kopp, (CDU). Aber nur für Starts gen Westen sei eine Lösung gefunden worden, die für fast alle Betroffenen akzeptabel sei. Auch Kopp hat seine Ziele nicht ganz erreicht. Er stimmte dafür, nicht über Wannsee zu fliegen, sondern erst westlich von Potsdam abzudrehen.Dem ist die Flugsicherung aber nicht gefolgt. „Ich hätte auch gegen das Überfliegen des Müggelsees gestimmt“, sagte Kopp. Doch zu einem Votum ist es nicht gekommen. Die Ost-Vertreter waren sich nicht einig.

Beim Abheben von der Nordbahn des neuen Flughafens in Schönefeld musste sich die Flugsicherung entscheiden, ob die Maschinen geradeaus fliegen und Erkner überqueren oder ob sie – bei Zielen im Westen – bereits vor Müggelheim abbiegen und den Müggelsee etwa in der Mitte überfliegen. „Mit Bauchschmerzen“ habe sich die Flugsicherung für die Müggelsee-Variante entschieden, um Erkner wenigstens etwas zu entlasten, sagte Ertler. Rund 120 Maschinen würden an den Flugtagen diesen Kurs wählen. Für auf der Nordbahn landende Maschinen geht es nur über Erkner, weil sie 18,5 Kilometer vor der Landebahn einen Geradeauskurs erreicht haben müssen.

Mit der Startroute über den Müggelsee folge die Flugsicherung der Empfehlung der Fluglärmkommission, die Bevölkerung möglichst nicht mit An- und Abflügen zu belasten, sagte Ertler. Die Idealroute führt vorwiegend über Wald und Wasser östlich an Friedrichshagen vorbei. Nach Ertlers Angaben gibt es bei der vorgegebenen Route, die in den Bordcomputer eingegeben werde, Abweichungen von maximal 100 bis 200 Metern. Die Route sei zudem einfach zu fliegen. Über dem Müggelsee werden die Maschinen in der Regel aber erst 3500 Fuß erreicht haben, weil sie bereits kurz nach dem Start abbiegen. Die Friedrichshagener aber trauen den Planern nicht mehr über den Weg und befürchten, dass die Flugzeuge auch über bewohnte Gebiete donnern werden, vor allem, wenn sie die Startrouten verlassen dürfen, was ab einer Höhe von 5000 Fuß (1,5 Kilometer) erlaubt sein kann. Diese Höhe werde erst weit nördlich vom See erreicht, sagte Ertler Die Kurve nach Westen solle bei Hoppegarten eingeleitet werden.

Das letzte Wort ist aber noch nicht gesprochen. Wenn Anfang nächsten Jahres die Routen endgültig festgelegt werden, können alle betroffenen Bürger – in Ost und West – Klage einreichen. Spätestens ein halbes Jahr nach der Eröffnung des neuen Großflughafens wird die Flugsicherung prüfen, wie sich die Routen – und damit der Lärm – konkret auswirken. Sollte sich herausstellen, dass das Erholungsgebiet um den Müggelsee zu viel Krach abbekommt, wird voraussichtlich zumindest an Wochenenden auf das Überfliegen verzichtet. Weil das Erholungsgebiet einen besonders hohen Wert genießt.

Gegen die Müggelsee-Route findet am Montag wieder eine Demonstration statt. Beginn ist um 19 Uhr auf dem Marktplatz in Friedrichshagen.

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