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Mieter in der Kopenhagener Straße im Prenzlauer Berg beklagen die drastisch steigenden Mietpreise nach einer energetischen Sanierung.

© imago

Energetische Haussanierung in Prenzlauer Berg: Mieten steigen fast auf das Dreifache

Ein Haus im Berliner Prenzlauer Berg soll klimafreundlich saniert werden. Die Mieten steigen dadurch fast auf das Dreifache, auch die Heizkosten erhöhen sich. Eine Verdrängungsmaßnahme, finden die Bewohner und wehren sich nun gegen die Pläne des Eigentümers.

„Sozialer Sprengstoff“, wie jüngst von Forschern an der TU Darmstadt prognostiziert, oder ökologische Wohltat – bei der energetischen Haussanierung gehen die Meinungen auseinander. Für Peter Grabitz aus der Kopenhagener Straße 46 in Prenzlauer Berg ist die Sache eindeutig. Seine Wohnung soll nach der Modernisierung statt 540 Euro 1510,88 Euro kosten. „Die energetische Sanierung wird als Instrument benutzt, um das Haus zu entmieten“, sagt er.

Damit ist Grabitz nicht allein: Für die über Jahre gewachsene Hausgemeinschaft stellt sich die Frage nach Sein oder Nichtsein in Prenzlauer Berg. In dem gründerzeitlichen Haus hatte sich um die Jahrtausendwende eine bunte Mieterschar von etwas mehr als 20 Parteien zusammengefunden – von der Rentnerin bis zur Schwimmlehrerin und dem Studenten. Sven Fischer, Koch und freiberuflicher Caterer, drückt es so aus: „Wir sind eine abstruse Gesellschaft, eine wunderbare Ost-West-Mischung. Das, was Prenzlauer Berg mal war, ist hier noch lebendig.“ Das Haus – das letzte unsanierte in der Straße – erinnert an längst vergangene Zeiten. Sogar Einschusslöcher aus dem Krieg sind noch zu sehen. In dem kleinen Hinterhof stehen ein paar Bänke und eine Rutsche für die Kinder. In einer Sitzecke können sie malen oder im Sand buddeln. Der kleine Steingarten komplettiert die Idylle. Nun aber hält sie nicht mehr.

Mieterverdrängung durch Modernisierung?

In Eigenregie wurden in einigen Wohnungen Gasetagenheizungen eingebaut. Der Eigentümer, ein sozial engagierter Fernsehjournalist, ließ die Mieter gewähren. „Leben und leben lassen, das war seine Maxime“, erinnert sich Sven Fischer. Doch im Jahr 2011 starb er. Das Haus ging 2012 in die Hände der Christmann-Unternehmensgruppe über. Im Herbst 2013 kündigte sie die „umfassende energetische Sanierung“ der 24 Wohnungen an. Im Dachgeschoss sollen „zusätzlich drei neue lichtdurchflutete Wohnungen mit Sonnenterrassen“ entstehen, dazu neue Balkone, ein Aufzug – alles im „Kultbezirk Prenzlauer Berg“. Man wolle im Frühjahr 2014 mit den Arbeiten beginnen und noch in diesem Jahr fertig werden. Ganz so schnell dürfte es jetzt wohl nicht gehen. Denn als die Mieter die Modernisierungsankündigungen erhielten, beschlossen sie, dagegen vorzugehen.

Die Bewohner sahen in dem Katalog mit Maßnahmen wie „Einbau einer zentralen Warmwasserbereitungsanlage mit Solarvakuumanlage“, „Einbau einer zentralen, geregelten Wohnraumlüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung“ und „Einbau einer Videogegensprechanlage“ – bei nahezu verdreifachten Mieten – den Versuch der Aufkündigung ihrer Hausgemeinschaft. Der Rechtsanwalt der neuen Eigentümer teilte sogleich auch mit, er sei beauftragt, die „dargelegten Duldungsansprüche gegen Sie gegebenenfalls gerichtlich durchzusetzen“.

Sechsfache Heizungskosten durch energetische Sanierung

Die Rechtsanwältin Carola Handwerg vertritt einige Mieter in dem Haus und findet die Situation ziemlich paradox: „Die angekündigte energetische Sanierung führt zu sechsmal so hohen Kosten wie die derzeitigen Heizungskosten.“ Sie möchte erreichen, dass zum Beispiel auf den Einbau einer Wohnraumlüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung verzichtet wird. Schließlich solle die Miete nach Sanierung maximal bei 30 Prozent des Nettohaushaltseinkommens liegen, sonst sei dies eigentlich eine „unbillige soziale Härte“.

Ob die Christmann-Gruppe auf einen solchen Vergleichsvorschlag eingehen würde, bleibt offen. Eine schriftliche Anfrage des Tagesspiegels dazu ließ sie unbeantwortet. Der zuständige Stadtrat Jens-Holger Kirchner setzt auf weitere Verhandlungen zwischen Mietern und Eigentümer-Gesellschaft. „Bis jetzt gibt es nur eine Modernisierungsankündigung. Die spätere Modernisierungsvereinbarung kann ja ganz anders aussehen“, sagt Kirchner. „Wir werden jetzt ein Gutachten über die Notwendigkeit der energetischen Maßnahmen von den Eigentümern verlangen.“ Der Stadtrat sieht diese Art der Sanierung durchaus kritisch: „Das ist wie eine Lizenz zum Gelddrucken.“ Modernisierungen sollten seiner Meinung nach sozialverträglich sein. Kirchner jedenfalls sagt: „Wir wollen, dass die Mieter dort wohnen bleiben können.“

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