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Was kommt auf den Tisch?

© Kitty Kleist-Heinrich

Ernährung: Fleischverzicht allein macht nicht gesünder

Es muss nicht gleich fleischlos sein: Experten sagen, eine vollwertige Mischkost ist ausschlaggebend für eine gesunde Ernährung. Trotzdem leiden Vegetarier seltener an Diabetes, Bluthochdruck oder Übergewicht.

Von Fatina Keilani

Die ersten Bioläden waren nicht die besten Werbeträger. Ihre Ware war schrumplig, das Angebot klein, und die Müsli-Esser und Träger von Selbstgestricktem galten als verschrobene Minderheit. Die konsumierende Mehrheit stürzte sich auf die in Mode geratenen Tiefkühl-Fertiggerichte. Seither hat sich vieles geändert. Die frühere Minderheit ist beerbt worden, heute gehört Bio zum Lifestyle, alles Nachhaltige ist cool, und Bioläden sind häufig Supermärkte mit allem Drum und Dran. Viel populärer als früher ist es auch, Vegetarier zu sein. Popstars wie Paul McCartney waren schon lange Vorbild, nun brachten auch Autoren wie Jonathan Safran Foer und Karen Duve das Thema in die Diskussion. Die Zahl der Vegetarier steigt in der übersättigten westlichen Welt ständig; weltweit betrachtet nimmt allerdings der Fleischkonsum zu. Für die Natur ist das nicht gut.

„Wer kein oder weniger Fleisch isst, schützt die Gesundheit und die Umwelt“, sagt die Ernährungswissenschaftlerin Hella Hansen. Die Erzeugung von Fleisch, insbesondere Rind, verursacht riesige Mengen von klimaschädlichen Gasen. „Vegetarier erkranken seltener an Bluthochdruck, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Übergewicht“, sagt Hella Hansen. Das bestätigt Ute Alexy vom Institut für Kinderernährung in Dortmund. „Viele Vegetarier sind tatsächlich gesünder. Das liegt nicht nur daran, dass sie auf Fleisch verzichten, sie essen auch mehr Obst, Gemüse und Vollkorn und leben insgesamt gesünder, indem sie weniger rauchen und sich mehr bewegen.“ Ein „Puddingvegetarier“, der nur das Fleisch weglasse und ansonsten nichts ändere, esse nicht gesünder als jemand, der mäßige Mengen Fleisch isst, aber auch viel Obst, Gemüse, Vollkorn – darin sind sich alle Experten einig.

Es kommt also auf eine möglichst vielfältige Mischkost an, dann geht es auch ohne Fleisch – sogar bei Kindern. „Man kann sie ohne Probleme fleischlos ernähren, wenn Milch, Milchprodukte und Eier verzehrt werden. Mit einer geschickten Kombination von pflanzlichem und tierischem Eiweiß lässt sich die Eiweißqualität wesentlich verbessern“, sagt Hansen. Günstige Kombinationen sind zum Beispiel Kartoffel und Ei oder Quark, Getreide mit Milch oder Milchprodukten.

Vegetarier haben zwei Probleme: Sie müssen ausreichend Eisen und Eiweiß aufnehmen. „Wenn kein Fleisch auf den Teller kommt, ist eine gute Versorgung mit Eisen wichtig. Hirse, Haferflocken, grünes Blattgemüse oder Eier sind reich an Eisen“, sagt Hella Hansen. Mit Vitamin C wird das Eisen vom Körper besser aufgenommen. Von einer veganen Ernährung ohne tierisches Eiweiß, also auch ohne Milch und Eier, raten Experten der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) ab. Kinder bekommen dann zu wenig Calcium und Eiweiß; sie müssen ja noch wachsen. Eine vegetarische Kinderernährung bedeutet mehr Arbeit für die Eltern, denn der schnelle Griff zum Wiener Würstchen fällt weg.

Der Epidemiologe Heiner Boeing vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung erforscht die Auswirkungen des Essens auf unsere Gesundheit. „Herzkrankheiten und bestimmte Krebsarten sind in den Mittelmeerländern weniger verbreitet als bei uns“, sagt er. Das könnte auch das Ergebnis der dortigen Ernährung sein, die mittlerweile unter dem Begriff „Mittelmeer-Diät“ auch bei uns bekannt sei. Viel Obst, Gemüse, Nüsse, Olivenöl, Fisch, wenig Fleisch und Milchprodukte sind die Kernbestandteile. „Es gibt ein richtiges Nord-Süd-Gefälle beim Obst- und Gemüseverzehr“, sagt Boeing. In den Mittelmeerländern äßen die Menschen 500 bis 600 Gramm Obst und Gemüse, im Norden wesentlich weniger. „400 Gramm pro Tag sollten es schon sein“, empfiehlt er. Obst und Gemüse sollten vor dem Verzehr gründlich gewaschen werden. Bio-Gemüse sei weniger mit Spritzmitteln belastet, die wichtigen Nährstoffe seien aber auch im Supermarkt-Apfel enthalten. Milchprodukte gelten übrigens nicht als besonders gesund, außer für Kinder. Sie haben viele Kalorien und laut Boeing kaum nachgewiesene Vorteile für die Gesundheit, auch, wenn das viele Leute denken.

Fazit: Einfache Wahrheiten gibt es nicht. Die rohe Möhre enthält mehr Ballaststoffe, die gekochte ermöglicht dagegen die volle Verwertung des Carotins. Beides hat seine Vorteile. Ab und an Rohkost kann wegen der Ballaststoffe gesund sein. Ständig Rohkost macht träge, weil der Körper viel Energie für die Verdauung aufwenden muss. Wer Gutes isst, der tut sich etwas Gutes. Dazu gehört im Idealfall, sich für eine Mahlzeit Zeit zu nehmen, sich hinzusetzen, bewusst zu genießen, und zwar am besten Lebensmittel, die nicht aus einer Fabrik kommen. Ob gelegentlich ein Stück Fleisch verspeist wird, ist für die Gesundheit dann egal.

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