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Die Polizei setzte auf Präsenz - offenbar mit Erfolg.

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Nachlese 2010: Innensenator mit 1. Mai 2010 zufrieden - Polizei zeigt Kollegen an

Innensenator Körting spricht von einem erfolgreichen 1. Mai. Die Polizei zeigt einen Beamten wegen eines Tritts gegen einen Demonstranten an. Das Video dazu können Sie hier sehen.

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Für die Berliner Polizei ist der 1. Mai positiver verlaufen als im vergangenen Jahr. Der Berliner Innensenator Ehrhart Körting hat am Sonntag den Einsatz der Polizei am 1. Mai gelobt. Insgesamt sei der Tag sehr viel ruhiger verlaufen als im vergangenen Jahr, als 500 Polizisten Verletzungen davon trugen. Dieses Jahr wurden insgesamt 98 Polizeibeamte verletzt, einer musste stationär im Krankenhaus behandelt werden und lag auch noch am Sonntag im Krankenhaus. Er werde aber wohl bald entlassen, sagte Körting. In der Walpurgisnacht und am 1. Mai nahm die Polizei insgesamt 487 Personen fest, von denen 14 einen Haftbefehl erhielten. Die Polizei ermittelt wegen schweren Landfriedensbruchs, gefährlicher Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Der größte Teil, nämlich 286, waren Neonazis, die wegen des „Überraschungsbesuchs“ auf dem Kurfürstendamm festgesetzt worden waren. Im Vorjahr waren 289 Randalierer festgenommen worden.

Auch gegen einen Polizisten liegt eine Anzeige vor - von der Polizei selbst. Ein Beamter einer Direktionshundertschaft stürmte mit seiner Einheit in vollem Lauf durch die Wiener Straße, sprang über einen am Boden liegenden Demonstranten und versetzte ihm dabei einen Tritt gegen den Kopf. Die Polizei hat die Aktion gefilmt, sie ist auch im Internet zu sehen (siehe Video weiter unten). Dem Opfer wurde von Zeugen aufgeholfen, der Mann wirkte in dem Video nicht, als sei er schwer verletzt.

Polizeipräsident Dieter Glietsch rief gestern das Opfer und die Zeugen auf, sich bei der Polizei zu melden. Glietsch zeigte sich sicher, dass der Beamte schnell identifiziert werden kann. Das Video, das die Polizei gedreht hat, soll deutlich besser sein, als das Privatvideo aus dem Internet. Zwar ist die von der Polizeiführung angestrebte Kennzeichnung jedes Polizisten mit Nummer oder Name noch nicht eingeführt, jedoch tragen alle Beamte einer Einsatzhundertschaft eine Kennzeichnung auf dem Rücken. „Wir kennen die Einheit“, hieß es gestern im Präsidium.

Insgesamt waren 7400 Beamte im Einsatz; davon kamen 2900 aus anderen Bundesländern. Ein junger Berliner Polizist musste die Nacht im Krankenhaus verbringen. Er hatte einen Schlag gegen den Hals erhalten. Der war so heftig, dass ein Bein zunächst wie gelähmt war. Polizeipräsident Dieter Glietsch sprach von einem „Angriff aus dem Hinterhalt“, der Ablauf sei unklar. Zunächst war irrtümlich gemeldet worden, der Beamte sei durch einen Messerstich getroffen worden. Außerdem wurden mehrere Brandflaschen geworfen, die aber nicht zündeten. Am Kottbusser Damm Ecke Urbanstraße wurde von einem Hausdach ein Feuerlöscher in Richtung Polizei geworfen. Das Geschoss traf zum Glück niemanden.

Bei der Demonstration der Neonazis habe man mit mehr Teilnehmern gerechnet, sagte Körting. Diese Veranstaltung sei so abgelaufen, wie es die Verfassung vorschreibe. Die Rechtsextremen konnten einen Teil marschieren, Sitzblockaden wären von den Polizisten aus verschiedenen Bundesländern ruhig und gelassen geräumt worden. Insbesondere die Berliner Polizei habe auf die Sitzblockade von Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse und anderen Politikern richtig reagiert. "Auch Bundestagsabgeordnete stehen nicht über dem Gesetz", sagte Körting. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hat Thierse scharf kritisiert. Das Verhalten Thierses, der am Ende von der Polizei zur Seite gebracht werden musste, sei "würdelos", erklärte die Gewerkschaft am Samstagabend. Thierse hatte zuvor Respekt für die Arbeit der Polizei ausgedrückt.

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Das Myfest glich in den Augen des Innensenators einem Volksfest, die 18-Uhr-Demonstration sei von Anfang bis Ende ohne Probleme verlaufen. "So weit hatten Sie es diesmal ja nicht", meinte Körting und spielte damit auf die in diesem Jahr verkürzte Strecke an. Bei dieser Demonstration waren einige Teilnehmer nach Angaben von Körting auf Krawall aus, doch die Polizei habe das im Griff gehabt. Es hätte das eine oder andere Scharmützel gegeben, jedoch keine Randale wie 2009. "Wir hatten den Erfolg, die Gewalt wieder etwas zurückdrängen zu können", sagte Körting. Auch Polizeipräsident Dieter Glietsch sprach von einem erfolgreichen 1. Mai.

Der 1. Mai war in der ganzen Stadt tagsüber fast durchweg friedlich geblieben, doch bei einsetzender Dämmerung brach in Kreuzberg Gewalt aus. Mehrfach warfen Vermummte Flaschen und Steine nach der Polizei. Die hatte sich zuvor im Hintergrund gehalten, griff bei Beginn der Randale aber – anders in den Vorjahren – sofort zu und nahm Dutzende Krawallmacher fest. Über die Zahl der Verletzten herrschte am späten Abend noch Unklarheit. Allerdings meldete die Polizei, dass einer ihrer Beamten verletzt wurde. Anfänglich hieß es von der Polizei, er habe möglicherweise einen Messerstich erhalten. Dies wurde später dementiert. Er musste aber dennoch mit dem Krankenwagen abtransportiert werden. Nach Tagesspiegel-Informationen hatte der Beamte im Bereich der Wiener Straße die Verletzung am Rücken erlitten. Ein Messerstich wäre ein beispielloser Vorfall bei den Mai-Krawallen gewesen. Die Kripo hat die Ermittlungen aufgenommen. Weiteres zu dem Vorfall war zunächst nicht bekannt.

Nach Angaben der Veranstalter hatten mehr als 10 000 Menschen an der traditionell krawallanfälligen 18-Uhr-Demo durch Kreuzberg und Neukölln teilgenommen, die Polizei sprach von etwas weniger Personen. Thema des Umzugs war die soziale Spaltung der Stadt. Der Start des Aufzugs verzögerte sich um nahezu eine Stunde, verlief dann aber bis zum Abschlussort am Spreewaldplatz in der Wiener Straße trotz teilweise aggressiver Stimmung friedlich. Die Polizei hielt sich im Hintergrund und hatte lange Zeit zugleich eher wenig Präsenz gezeigt. „Dass es kein martialisches Spalier behelmter Einsatzkräfte wie noch 2009 gab, hat sich offenbar ausgezahlt“, sagte Rechtsanwalt Sven Richwin, der den Anmelder der „Revolutionären 1.- Mai-Demonstration“ juristisch vertritt. Auch die Polizei äußerte sich am späten Abend zufrieden mit dem Verlauf. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hatte schon in den Tagen zuvor angekündigt, jegliche Gewalt sofort zu ersticken. Die Polizei war den ganzen Tag über mit rund 7000 Kräften aus mehreren Bundesländern im Einsatz.

Im Vorjahr war es schon nach wenigen Minuten zu massiver Randale gekommen. Hunderte Demonstranten bewarfen Polizisten damals mit Steinen; mehrere hundert Beamte wurden leicht verletzt. Diesmal schien sich die Masse nicht von der Gewalt mitreißen zu lassen.

Der Protestzug durch Nord-Neukölln und Kreuzberg hatte sich mit rund einstündiger Verspätung gegen 19 Uhr in Bewegung gesetzt. Die Veranstalter der Demonstration hatten noch auf die Teilnehmer der Anti-Nazi-Proteste aus Prenzlauer Berg und Wedding gewartet. Die reisten in relativ gelassener Stimmung an, nachdem es ihnen gelungen war, den Neonazi-Aufmarsch nach wenigen hundert Metern zu verhindern.

Kurz vor 22 Uhr gelang es einigen Linksautonomen, unweit des bei vielen Linken verhassten Nobelwohnprojekts „Carloft“ an der Ecke Ohlauer und Reichenberger Straße aus Containern und Sperrmüll eine Barrikade zu errichten und anzuzünden. Hier war die Polizei nicht sofort präsent. Allerdings hatten die Beamten die Wege zum „Carloft“ so konsequent abgeriegelt, dass für die Autonomen kein Durchkommen war. So blieb es zunächst bei der einen Barrikade, die im südlichen Teil der Reichenberger Straße niederbrannte – weitab vom belebten Kreuzberger Kiez mit seinen Straßencafés und dem von den Krawallmachern durchaus erwünschten Publikum. Als gegen halb elf auch noch kräftiger Regen einsetzte, ließ das Interesse an der Randale weiter nach.

Auch auf dem Myfest zerstreuten sich die Besucher, als der Regen begann. Hunderte strömten in die U 8, die völlig überfüllt war. Das Publikum bestand hier zum großen Teil aus Touristen sowie aus gemäßigteren Linksalternativen, die offenbar nicht auf Randale aus waren. Auch hier hatte sich die Polizei stark zurückgehalten – und am frühen Abend schnell die kurzzeitige Randale auf dem Spreewaldplatz in den Griff bekommen.

Schon am Tag war es auf dem Myfest wie in den Vorjahren friedlich geblieben. Familien bummelten über die Festmeilen zwischen Oranienplatz und Görlitzer Bahnhof, sie trugen Babys und schoben Kinderwagen, aßen Gegrilltes und tranken Bier aus Plastikbechern, da Flaschen und Dosen verboten worden waren. Anwohner verkaufen Selbstgemachtes quasi durchs Wohnzimmerfenster, von 15 Bühnen schallte Musik.

Mitorganisator Michael Steger war erstmal zufrieden. „Wir machen dieses Fest, damit es keinen Krawall gibt“, sagte der 42-Jährige. Was aber am Abend passiere, wenn reichlich Alkohol die Hemmschwellen sinken lasse, dazu wollte er keine Prognose wagen. Polizei war auf dem Fest nur selten zu sehen.

Der Ausschank von Alkohol war diesmal eingeschränkt worden; nur Gaststätten und Stände an den Bühnen bekamen Schanklizenzen. Am Görlitzer Bahnhof waren Glasflaschen entgegen dem Verbot sehr verbreitet, überhaupt schien dort die Atmosphäre aggressiver zu sein als etwa im idyllischen Bullenwinkel nahe dem Oranienplatz.

Morgens war schon für einen friedlichen 1. Mai gebetet worden; vor Beginn des Myfests hatte das Netzwerk „Gemeinsam für Berlin“ , zu dem sich vor allem Christen aus Freikirchen zusammengeschlossen haben, zum Gottesdienst geladen. Etwas Krach hatte es vor dem Fest noch gegeben; die Initiative Kiezkultur teilte mit, der Aufbau ihrer Großbühne in der Oranienstraße entfalle. Bürgermeister Franz Schulz (Grüne) habe die erprobte Myfest-Crew nicht einmal mit in die Planung des Fests einbezogen; gegen diese „Inszenierung von Senat, Bezirksamt und Polizei“ solle protestiert werden. Das Myfest wird seit 2003 jährlich vom Bezirksamt veranstaltet, um Randalierern den Raum zu nehmen.

Malte Zacharias, 37, der am Bullenwinkel eine Kiezküche betreibt, war in Gedanken schon weiter. Das Myfest sei zwar etwas Besonderes, weil es vor der eigenen Ladentüre stattfinde, sagt er. Mit seiner Kinder-Kochschule hat er aber das ganze Jahr Termine. Nächstes Wochenende will er dem Nachwuchs zeigen, dass es auch Essen gibt, das nicht aus einer Packung kommt: Beim Eröffnungswochenende des Tempelhofer Flugfeldes.

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