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Gerhard Goder hat eine Statue von Conchita Wurst geschnitzt - aus Zirbenholz. Die schmückt nun sein Schaufenster in Schöneberg.

© Nantke Garrelts

ESC-Gewinnerin als Ikone: Künstler aus Berlin schnitzte Conchita Wurst als Messias mit Bart

Als sie den Eurovision Song Contest gewann, dachte Gerhard Goder: Conchita Wurst ist eine Ikone! Und fertigte eine lebensgroße Statue der Sängerin an.

Ja, was ist es denn jetzt? Mann oder Frau, Messias oder Wurst? Die Statue schweigt dazu. Mit hölzernen Augen blickt Conchita Wurst auf die Passanten auf der Grunewaldstraße in Schöneberg, ihr Ausdruck wach, aber entrückt. „Zeitlos“ soll sie sein, sagt ihr Erschaffer Gerhard Goder. Der „Herrgottschnitzer“ wird er auch genannt, denn neben Märchenparkfiguren und Berggeistern hat der Österreicher auch schon so manche Marien- oder Jesusfigur aus Holzblöcken herausgeschnitzt. Drei Wochen hat er gebraucht, um die 1,50 Meter hohe Statue aus Zirbenholz fertigzustellen.

Die Sichel der Statue erinnert ein wenig an eine Wurst

Eigentlich sollte sie zum Christopher Street Day fertig sein, da hat er sich aber im Datum verrechnet. Egal. Der Sieg der Sängerin beim Eurovision Song Contest hat ihn so beeindruckt, dass Goder sofort die Idee zur Ikone kam, „das hat nicht lange gedauert“, sagt er. Auf eines legt er bei seiner Figur aber Wert: „Das ist keine Jesusfigur, sondern Conchita Wurst.“ Wenn die Leute darin Jesus oder Maria sehen würden, dann sei das ihre persönliche Projektion. Daher auch die Mondsichel, auf der Conchita steht: „Sie ist wie der Mond, der von der Sonne, also dem Publikum, angestrahlt wird und erst dadurch leuchtet.“ Ein bisschen steckt in der Sichel aber auch die Wurst drin, zumindest von der Form her. Das Bild war dem Bildhauer aber zu platt: „Da habe ich mir gesagt: Da nehme ich jetzt nicht die Wurscht.“

ESC-Gewinnerin Conchita Wurst: Ihr Auftritt erhitzte nicht nur in Russland die Gemüter.
ESC-Gewinnerin Conchita Wurst: Ihr Auftritt erhitzte nicht nur in Russland die Gemüter.

© dpa

Denn in vielen Merkmalen ist sie doch eine klassische Ikone: Gold und Silber bringen sie zum Strahlen, das Kleid ist aber ungefärbt naturholzfarben – im Gegensatz zum lebensechten Vorbild, das sich gerne in glitzernde Roben kleidet und mit Schmuck behängt. Auf bodenständige, österreichische Art wollte der Figurenschnitzer den Star verewigen. Aber auch wie bei der Original-Conchita ist das Kleid aus Holz recht knapp gehalten. Ganz unjesushaft zeichnen sich weibliche Formen darunter ab. Es soll aber unanstößig sein, sagt Goder. Negative Reaktionen hat er noch keine erfahren, sagt er, nur einen nächtlichen Eierwurf aufs Atelierfenster. Viele Kunden kommen in das Keramikatelier in der Grunewaldstraße 9, unweit des Kleistparks, das seiner Freundin, der Keramikkünstlerin Nana Dahler, gehört, und fragen, ob sie ein Foto machen dürften oder wen die Statue jetzt eigentlich darstelle.

Conchita Wurst steht für Toleranz

Goder ist freilich nicht der Erste, dem die Ähnlichkeit zwischen Conchita Wurst und den oft recht femininen Jesusdarstellungen auf Ikonenbildern auffällt: Nach dem Eurovision-Sieg in Kopenhagen im Mai verglichen Publizisten und sogar der österreichische Religionswissenschaftler Paul Zulehner die ausgebreiteten Arme von Conchita Wurst mit Segnungsgesten und den Eurovision Song Contest mit einer religiösen Inszenierung. Fotomontagen kursierten, in denen das Gesicht von Conchita Wurst, deren bürgerlicher Name Thomas Neuwirth lautet, in Ikonenbilder oder die Szene vom letzten Abendmahl montiert wurde.

Goder hat seine Statue aber durchaus nicht nur aus einem Hype heraus geschaffen: Sie ist als Zeitdokument gedacht. „In 20, 30 Jahren wird man es sich anschauen und sich fragen: Wieso war damals so eine Aufregung?“ Auch wenn er darauf besteht, dass es sich nicht um eine Jesusstatue handelt, streicht er dennoch die Parallelen heraus: Der Titel ihres Gewinnerlieds etwa, „Rise like a Phoenix“: „Das hat doch was von Auferstehung.“ Oder die frohe Botschaft von Toleranz, die sie verbreitet. Eigentlich hat Conchita Wurst sowieso schon religiösen Kultstatus, meint Goder. „Wenn die Leute schon Jesus in der Statue sehen, dann zeigt es doch, dass sie das Ikonenhaftige schon erreicht hat.“

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