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Die Fluglärmgegner fühlen sich bestärkt.

© dpa

EU-Verfahren wegen Flugrouten: Fluglärmgegner schöpfen Hoffnung

Die Drohung aus Brüssel wirkt: Die Bundesregierung reagiert zwar gelassen, aber die Fluglärmgegner schöpfen Hoffnung. Doch die EU-Maßstäbe für geeignete Flugrouten könnten ihnen noch ein Schnippchen schlagen.

Es war ziemlich still geworden um die umstrittenen Flugrouten für den künftigen Hauptstadt-Airport, die voriges Jahr Zehntausende in Brandenburg und Berlin auf die Straßen trieb: Doch nun verursacht das überraschend vom EU-Umweltkommissariat angedrohte Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik neuen Wirbel. Über die Konsequenzen eines solchen EU-Verfahrens gingen am Freitag die Meinungen weit auseinander. Zwar reagierte die Bundesregierung gelassen, pochte darauf, dass es „nationales Recht“ sei. Die EU dagegen rügte, dass die Routen über Vogelschutzgebiete, nämlich im Osten am Müggelsee, und im Westen über den Rangsdorfer See und der Nuthe-Nieplitz-Niederung führen, ohne dass es dafür eine Umweltprüfung gab. Die Anti- Fluglärm-Bürgerinitiativen schöpfen jetzt neue Hoffnung. Zudem macht das Potsdamer Infrastrukturministerium auch noch publik, dass es den Bund frühzeitig gewarnt haben will.

Danach hatte die brandenburgische Planfeststellungsbehörde bereits am 15. Oktober 2010 – es tobte der Streit um die angekündigten neuen, abgeknickten Flugrouten – eine ausdrückliche Bitte an die Deutsche Flugsicherung, das Bundesverkehrsministerium und das Bundesamt für Flugsicherung: Sie sollten „im Rahmen ihrer Planungen zu beachten, ob und gegebenenfalls in welchem Maße eine mögliche Betroffenheit“ der Vogelschutzgebiete nach Europarecht „im Umfeld des künftigen Verkehrsflughafens durch eine geänderte Festlegung der Flugverfahren ... gegeben sein könnte“.

Es sei festzuhalten, dass „eine umfassende Bewertung der Verträglichkeit (unter Zugrundelegung der Flugverfahren“ die „Berücksichtigung aller als schutzwürdig zu bewertender Vogellebensräume“ bedarf. Zwar ging die Behörde allgemein selbst nicht davon aus, mit einer Ausnahme: Konkret wurde bereits das Europäische Vogelschutzgebiet „Rangsdorfer See“ erwähnt, das betroffen sein könnte. Es liegt sechs Kilometer südlich vom BER. Motorboote dürfen dort nicht fahren. Seine geschützten Bereiche gehören zu den wichtigsten Brandenburger Überwinterungsgebieten für nordische Wildgänse. Zwischen 30 000 und 70 000 Zugvögel lassen sich hier, aus Sibirien kommend, vorübergehend nieder.

Dass genau diese Natur-Abwägung bei der Festlegung der Flugrouten unterblieb, dass die Belange nicht berücksichtigt wurden, am Müggelsee, in Rangsdorf und der etwas weiter entfernten Nuthe-Nieplitz-Niederung, rügt jetzt die EU.

Der Naturschutzbund Brandenburg, der die Beschwerde in Brüssel mit eingereicht hat, sieht sich bestärkt. Und auch im Südosten Berlins, wo am Müggelsee die Problemlage dieselbe ist, sieht man neue Chancen. „Wir sind voller Hoffnung. Denn damit gerät das gesamte Abwägungsgefüge ins Wanken“, sagt Christine Dorn, Sprecherin des Bündnisses SüdOst, zu dem auch der Bürgerverein Friedrichshagen gehört, der gegen die Müggelsee-Route klagt. Wie beim Projekt insgesamt, sagt Dorn, „sind die tatsächlichen Auswirkungen des Airportes wieder nicht richtig untersucht worden, um leichter die Genehmigung zu bekommen.“ Das Gleiche sei beim Nachtflugverbot der Fall. Hoffnung schöpft man auch im Westen des BER, wo die Gemeinden Kleinmachnow, Teltow und Stahnsdorf und die Deutsche Umwelthilfe gegen die Route über den Wannsee klagen. Das Oberverwaltungsgericht

verhandelt darüber am 23. Januar. Auch die Wannseeroute führe über Vogelschutzgebiete im Westlichen Düppeler Forst, im Grunewald und auf der Pfaueninsel, sagt Rechtsanwalt Remo Klinger. Auch dort habe es keine Umweltverträglichkeitsprüfung gegeben. „Die fehlende Umweltverträglichkeitsprüfung war von Anfang eines unserer wichtigsten Argumente“. Und Matthias Schubert, Sprecher der Bürgerinitiative Kleinmachnow, sagt: „Die Gesamtabwägung war nicht korrekt. Lügen haben eben kurze Beine.“ Konsequenz könne nur sein, dass man zu den geraden Flugrouten gemäß dem Planfeststellungsbeschluss zurückkehrt. Zwar ist offen, ob die EU tatsächlich ein Verfahren gegen Deutschland einleitet. „Man muss abwarten, was dabei herauskommt“, sagt Kathrin Schneider, Vorsitzende der Fluglärmkommission. Doch die wird sich auf der nächsten Sitzung im März mit der Frage befassen. Sie werde die zuständigen Bundesbehörden berichten lassen, sagt Schneider – und weist auf ein Problem hin: Bislang sei bei der Festlegung der Flugrouten durch das Bundesamt für Flugaufsicht ausschließlich darauf geachtet worden, so wenig wie möglich Menschen zu belasten. „Wenn man europäische Naturschutzzonen als Tabu setzt, werden Bereiche, wo geflogen werden darf, dichter besiedelte sein.“

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