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Der Bedarf an Familienhilfe ist da. Doch wie sehr helfen die freien Träger in erster Line sich selbst?

© dpa

Familienhelfer: „Wir verschwenden kein Geld“

Das System helfe nicht den Menschen, sondern sich selbst. Das berichtete eine Sozialpädagogin über die Familienhilfe. Freie Trägervereine widersprechen ihren Vorwürfen – üben aber Selbstkritik wegen zu langer Betreuungen.

Sie sollen kostenlose Babysitter sein, die mit den Kindern in den Zoo gehen, anstatt mit ihnen pädagogisch zu arbeiten. Sie sollen Behandlungen unnötig verlängern, um sich zu bereichern. Die eigene Arbeit hingegen sollen die Familienhelfer der Freien Träger Berlins nicht ausreichend dokumentieren, die Jugendämter sie nicht kontrollieren. Die Qualitätsvorgaben der Senatsbildungsverwaltung würden deswegen nicht umgesetzt werden. So berichtete es jedenfalls eine Journalistin und Sozialpädagogin, die als Familienhelferin gearbeitet hat, im Tagesspiegel. Politiker forderten daraufhin Reformen des Systems. In der wachsenden Branche ist man über die Vorwürfe empört, sieht aber auch Nachholbedarf.

„Wenn wir die Hilfe unnötig in die Länge ziehen, sind meine Leute doch demotiviert“, sagt Elisabeth Keppel, Leiterin des Trägers „Trapez e. V.“ aus Tegel. Und „Babysitting“ sei bei ihr „kein Thema“. Wenn die Sozialpädagogen von Trapez mit den Kindern mal einen Spaziergang in den Wald machten, dann nur gemeinsam mit den Eltern. Damit diese lernten, wie sie die Freizeit der Kinder gestalten können. Kollegen von anderen Trägern sagten jedoch, dass Zoobesuche das Vertrauen zu den Kindern stärken könnten. Nur dann könne die Arbeit erfolgreich sein. Keppel ist überzeugt, dass die meisten Familien ihre Hilfe wünschen. „Wenn das nicht der Fall ist oder die Familie nicht bereit ist, sich zu ändern, wird die Hilfe beendet.“ Das sei aber nur bei fünf Prozent der Fall.

Unplanmäßig und unkontrolliert, wie der Vorwurf laute, laufe die Familienhilfe nicht ab, sagt Heidemarie Depil, Geschäftsführerin von „Casablanca“ aus Gesundbrunnen. Außer bei Härtefällen, bei denen das Jugendamt von vornherein das Vorgehen vorgebe, würde der Träger mit der Familie die Behandlungsschritte erarbeiten. Die erste Einschätzung dieses Hilfeplans erfolge nach zwei Monaten zusammen mit dem Jugendamt. Dieses frage manchmal wöchentlich nach den Erfolgen. Nach einem halben Jahr gebe es dann die erste große Sitzung. Einmal im Jahr treffe man sich ferner zu ausführlichen Auswertungsgesprächen mit den Bezirken und dem Land. Zudem müssten Mitarbeiter Arbeitsstunden und deren Inhalte genau dokumentieren.

Dass soziale Träger manche Familien über den nötigen Zeitraum hinaus behalten, kann sich Depil vorstellen. „Das System würde es ermöglichen, und man muss ja auch die Leute bezahlen.“ Problematischer sei, dass die Mitarbeiter in den Jugendämtern es manchmal nicht verstünden, die Ziele der Behandlung und die Aufgabenverteilung im Hilfeplan deutlich festzulegen. Zu schaffen macht Depil auch der Sparzwang der Berliner Bezirke. Durchschnittlich könne sie eine Familie pro Woche nur noch fünf anstatt acht Stunden betreuen lassen. Trapez e. V. in Tegel musste deswegen bereits Mitarbeiter entlassen. Auch der Paritätische Wohlfahrtsverband als Dachorganisation von 200 Berliner Jugendhilfeträgern kritisiert den hohen Spardruck: In diesem Jahr stünden den Freien Trägern 40 Millionen Euro weniger zur Verfügung als im Jahr 2002, obwohl die Zahl der Fälle stetig steige, sagte Geschäftsführer Oswald Menning.

Nicht nur die Träger stehen im Verdacht, im eigenen wirtschaftlichen Interesse die Betreuung von Familien in die Länge zu ziehen, sondern auch die Helfer selbst. Dies jedenfalls berichtet einer von ihnen, der nicht genannt werden will: „Viele Fachkräfte arbeiten auf Honorarbasis oder mit Basisverträgen und sind deshalb daran interessiert, ihre Klienten möglichst lange zu betreuen“, sagt er. Der Sozialarbeiter war bereits bei vier Trägern beschäftigt und erlebte jedes Mal wieder, dass fast ausschließlich Geschäftsleitung und Koordinatoren regulär beschäftigt waren. Die in Familien und bei Kindern eingesetzten Einzelfallhelfer dagegen hätten bestenfalls Verträge über zehn Wochenstunden, die bei Bedarf aufgestockt werden. Blieben Aufträge aus, hielten die Träger sie an, sich selbst um die Beschaffung von Fällen zu kümmern.

Oswald Menning vom Paritätischen Wohlfahrtsverband fordert vor diesem Hintergrund seit sechs Jahren ein pauschales Budget für die Jugendhilfe. Bisher werde jeder Einzelfall separat finanziert, sagt er. Mit einem Budget könne man den ökonomischen Anreiz, dass mehr Fälle mehr Geld bringen, bekämpfen und außerdem knappe Ressourcen effektiver einsetzen. Bereits vor drei Jahren habe das Berliner Abgeordnetenhaus beschlossen, dies in zwei Bezirken zu testen, sagt Menning . Bis heute sei aber nichts passiert.

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