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In der Mitte der umstrittene Entwurf für ein Hochhaus auf der Fischerinsel.

© Skizze: DMSW Berlin

Fischerinsel in Berlin: Bausenator Geisel will umstrittenes Hochhaus genehmigen

Andreas Geisel will „alle Spielräume nutzen“, damit ein Hochhaus auf der Fischerinsel entsteht. Bürger und Bezirk lehnen das Bauvorhaben ab.

Bausenator Andreas Geisel (SPD) schlägt sich auf die Seite der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) und will den Bau eines Häuserblocks mit Hochhaus an der Gertraudenstraße gegenüber vom Petriplatz genehmigen. „Wir werden alle rechtlich bestehenden Ermessensspielräume nutzen, um das Vorhaben möglich zu machen“, sagte Geisel dem Tagesspiegel. Für die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung sei die ablehnende Haltung des Bezirks „überraschend und nicht nachvollziehbar“.

Gegenstand des Streits sind die Baupläne für das Grundstück Gertrauden-Ecke Fischerinsel-Straße gegenüber vom Petriplatz, in der Sichtachse des Schlossneubaus. Zurzeit nutzen Autofahrer die Fläche als Parkplatz, und im hinteren Bereich des Grundstücks wachsen üppig und wild Sträucher und Grün. Entlang der Leipziger und Gruner Straße sowie auf der Fischerinsel stehen einzelne Hochhäuser, teils aus DDR-Zeiten, teils nach der Wende errichtet.

Die Pläne der WBM sehen die Errichtung eines offenen Blockes vor sowie am Rande dessen einen in die Höhe ragenden Turm. Der Block orientiert sich in der Höhe an dem benachbarten Häuserblock, der Turm wächst 58 Meter aus dem Block heraus, was es so in diesem Quartier nicht gibt: Die Hochhäuser an der Magistrale stehen zumeist als Solitäre da.

Bezirk Mitte hatte Hochausbau gestoppt

Wie berichtet hatte der Bezirk Mitte die Bauvoranfrage der WBM für diesen Plan teilweise abschlägig beschieden: Die Bauweise füge sich nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Gegen die Hochhausplanung hatte es Proteste von Stadthistorikern und Bürgern gegeben. Geisel ist das durchaus bewusst: „Wir wollen nicht mit dem Kopf durch die Wand und werden die Bürger erneut beteiligen.“ Dennoch ist sein Votum für das Projekt eindeutig, und er begründet es so: „Es geht mir darum, bezahlbare Wohnungen in der Mitte der Stadt zu bauen“.

Geisel weiß: Er muss liefern. Seit Jahren herrscht Wohnungsnot in Berlin. Die Zahl der neu errichteten Wohnungen nahm zwar kräftig zu, doch der größte Teil der Neubauten sind Eigentumswohnungen, die für die Mehrzahl der Berliner unerschwinglich sind. Außerdem müssten aufgrund des kräftigen Zuzugs von Neuberlinern rund 20.000 Wohnungen jährlich neu entstehen, allein um den zusätzlichen Bedarf zu decken – trotzdem entsteht nur gut die Hälfte davon. Harsche Kritik hatte sich Geisel auch deshalb anhören müssen, weil er am Leipziger Platz Investoren vom Bau von Wohnungen komplett frei stellte, obwohl der Bebauungsplan Wohnungen vorschreibt.

Stadthistoriker: Hochhaus-Projekt ist „geschichtsvergessen“

Umso entschlossener ist Geisel nun, das Hochhaus auf der Fischerinsel zu errichten – und zwar gegen den Rat von Historikern und einer großen Zahl von Bürgern. Aus Sicht der WBM kommen die Proteste überwiegend aus der Nachbarschaft von älteren Bewohnern des Quartiers, die Angst vor Veränderung hätten.

Doch aus dieser Quelle speist sich nur ein Teil des Protestes. Berufene Kritiker wie der Stadthistoriker Benedikt Goebel nennen das Hochhaus-Projekt schlicht „geschichtsvergessen“. Petriplatz und Fischerinsel waren die eine (Cöllner) Wiege der einstigen Doppelstadt „Cölln-Berlin“ und Archäologen entdeckten hier Gemäuer und Baumstämme, die zu den ältesten bisher überhaupt in Berlin geborgenen zählen. Die am Kirchfriedhof entdeckte Gebeine lockten zigtausende Menschen an den Petriplatz.

An der Gertraudenstraße soll ein Häuserblock mit Hochhaus gebaut werden.
An der Gertraudenstraße soll ein Häuserblock mit Hochhaus gebaut werden.

© Tsp/Bartel

Das Archäologische Zentrum sowie das Multikonfessionelle Gebetshaus, die am Petriplatz entstehen sollen, knüpfen inhaltlich an die lange Geschichte des Ortes an. Das Gegenteil würde der Block mit Hochhaus gegenüber leisten, zumal dieser neue Bautyp auch nicht die Reihe der Türme und Hochhausscheiben fortsetzt, die die Planer der DDR-Hauptstadt errichteten. Deshalb opponiert ein Bündnis von Bürgerbewegungen: die Gesellschaft historisches Berlin, die Planungsgruppe Stadtkern und das Bürgerforum Berlin.

„Die WBM sollte die Zeit der archäologischen Grabungen, die gerade dort stattfinden, dazu nutzen, mit den Bürgern erneut in den Dialog zu kommen, vor allem um Fragen der Umfeldgestaltung zu diskutieren“, sagt ein Sprecher von Geisel. Die Ablehnung der Bauvoranfrage sei am 13. Juni eingegangen. Am 6. Juli ging der Widerspruch beim Bezirk ein. Nun ist die Senatsverwaltung im Spiel.

„Das Planungsrecht ist ja nicht ausgehebelt, nur weil man einen Wettbewerb macht und alle Beteiligten in der Jury sitzen“, sagte Bezirksbaustadtrat Carsten Spallek (CDU) auf Anfrage. Das Planungsamt seines Hauses habe die Bauvoranfrage der WBM deshalb abschlägig beschieden, weil der Neubau sich nicht in das Umfeld einpasse. Dort stünden Solitäre oder Häuserblöcke. Der WBM-Entwurf kombiniere beides in einer neuartigen Gebäudetypologie, die sich dadurch eben nicht ins Umfeld einfüge.

Neubau muss sich in das Umfeld einpassen

Ein Neubau an diesem Ort muss sich deshalb einfügen, weil es keinen Bebauungsplan für das Grundstück gibt und die Genehmigung deshalb nur auf Grundlage von Paragraf 34 Baugesetzbuch erteilt werden kann. Hierbei gibt die Anpassung an das bauliche Umfeld den Ausschlag. Nicht genehmigungsfähig seien die Pläne auch wegen der weit überdurchschnittlichen Gebäudetiefe von rund 16,5 Metern, heißt es. Üblich seien 12 Meter.

Bei der WBM sagte eine Sprecherin: „Wir bereiten jetzt eine Bürgerbeteiligung vor, bei der es auch um die Gestaltung des Umfeldes geht“. Gemeinsam mit den Mietern werde ein geschützter Innenhof entstehen. Grünflächen mit Mietergärten und Abstellflächen für Fahrräder Rollatoren und Kinderwagen. „Es gibt keinen Grund die Ergebnisse des Architekturwettbewerbs in Frage zu stellen.“

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