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Der Lkw, mit dem in der vergangenen Woche 51 Menschen illegal nach Deutschland gebracht wurden, war auf der A 12 unterwegs.

© Patrick Pleul/dpa

Flüchtlinge: Die Spur der Schleuser in Brandenburg

Der Fall der in einem Lkw entdeckten Flüchtlinge weist auch auf einen Wechsel der illegalen Routen hin. Doch wo sind die illegal Eingereisten?

Von Sandra Dassler

Vier Dutzend vermutlich aus dem Irak stammende Asylsuchende bleiben vorerst verschwunden. Weder die Bundespolizei noch das brandenburgische Innenministerium haben Informationen, wo sich die Flüchtlinge aufhalten, die wie berichtet am Wochenende in einem Lkw an der Anschlussstelle Müllrose der A 12 entdeckt wurden. Insgesamt 51 Menschen, darunter 17 Kinder und 14 Frauen, wurden durch die Bundespolizei aus dem Laderaum befreit. Dort hatten sie mindestens eineinhalb Tage unter beengten, unhygienischen und vor allem unsicheren Verhältnissen ausharren müssen.

Während der Fahrer und einer der im Lkw befindlichen Männer als mutmaßliche Schleuser verhaftet wurden, hatte man die Flüchtlinge gesundheitlich versorgt und dann in die Erstaufnahmestelle des Landes nach Eisenhüttenstadt gebracht. Dort waren aber – bis auf einen Mann und einen Jungen – schon am Sonntag alle wieder verschwunden. Einige sollen in Autos mit Bielefelder Kennzeichen eingestiegen sein, dort hat sich bisher aber kein Flüchtling gemeldet. Natürlich sei es dennoch nicht ausgeschlossen, dass die Menschen erst einmal bei Verwandten untergekommen seien, sagte ein Sprecher des Flüchtlingsrats.

Fahndung in einer Woche?

Beim brandenburgischen Innenministerium weist man darauf hin, dass es keine rechtliche Handhabe gebe, die Asylsuchenden in der Erstaufnahme festzuhalten. Zwar hätten sich die Erwachsenen der illegalen Einreise schuldig gemacht, deshalb könne man sie aber nicht einsperren. Man nehme allerdings an, dass sich diejenigen, die in Deutschland bleiben wollten, bei anderen Ausländerbehörden melden würden, sagte ein Sprecher. Sollte das nicht der Fall sein, werde man sie in einer Woche zwecks Aufenthaltsermittlung zur Fahndung ausschreiben.

Während in den sozialen Netzwerken teilweise hämische Kommentare über die „undankbaren Flüchtlinge“ kursieren, fordert der Europareferent der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl, Karl Kopp, mehr Verständnis. „Wenn es stimmt, dass sie bereits in Bulgarien und Rumänien als Flüchtlinge registriert sind, droht ihnen die Dublin-Abschiebung in diese Länder“, sagte er dem Tagesspiegel: „Von Bulgarien wissen wir, dass dort die Rechte von Flüchtlingen mit Füßen getreten werden. Aus Rumänien fehlen uns bislang belastbare Informationen.“

Schwarzes Meer statt Balkanroute

Außerdem seien die Männer, Frauen und Kinder wahrscheinlich traumatisiert gewesen. „Diese Menschen hatten eine schlimme Flucht hinter sich. Es ist einfach nur Glück, dass ihnen nichts Schlimmeres zugestoßen ist. Der Vorfall zeigt einmal mehr die Skrupellosigkeit der Schleuser. Da die Balkanroute so gut wie dicht ist, nutzen sie jetzt wohl die nicht weniger gefährliche Schwarzmeerroute.“

Doch dafür gibt es bislang keine gesicherten Belege, heißt es bei der Bundespolizei. Im Zeitraum Januar bis August 2017 wurden an der deutsch-tschechischen Grenze rund 2600 und an der deutsch-polnischen Grenze rund 1400 unerlaubte Einreisen festgestellt. Ein signifikanter Anstieg sei weder an der deutsch-polnischen noch an der deutsch- tschechischen Grenze zu beobachten. Bislang lägen hier keine Erkenntnisse zu einer Routenverlagerung vor.

Bundespolizei in Personalnot

Die Bundespolizisten vor Ort sehen das ein wenig anders. Sie befürchten sehr wohl einen Trend zu mehr Schleusungen – und vor allem in größeren Autos. Während früher Flüchtlinge in Personen- oder Lieferautos geschleust wurden, habe man in den vergangenen Wochen drei Mal größere Menschengruppen aufgegriffen: in Müllrose, in Frankfurt (Oder) und im sächsischen Bad Muskau. In allen Fällen gaben die Geflüchteten an, in Lkw an beziehungsweise über die Grenze gebracht worden zu sein.

„Natürlich wird die Dunkelziffer der Schleusungen aus Polen und Tschechien viel höher sein“, sagt der Vorsitzende der Bundespolizeigewerkschaft Ernst Walter: „Schon, weil wir viel zu wenig Beamte haben, die Personallage ist mehr als angespannt. Wir können nicht viel kontrollieren. Auch deshalb ist es ein Glück, dass unsere Kollegen die Menschen aus diesem Lkw befreien – und ihnen vielleicht sogar das Leben retten konnten.“

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