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Flughafen-Entscheidung: "Klinken putzen liegt den Berlinern nicht"

Volker Kähne und Jürgen Linde waren als Vertreter Berlins und Brandenburgs beide intensiv in den Entscheidungsprozess um den BER eingebunden. Der Weg zum neuen Flughafen war schwierig.

„Wann wir die Hoffnung auf den Standort Sperenberg aufgegeben haben?“ Jürgen Linde, ein Jahrzehnt lang als Staatssekretär, Chef der Staatskanzlei und Minister die rechte Hand von Brandenburgs Ministerpräsidenten Manfred Stolpe, fragt das, als zweifele er am Verstand seines Gegenübers und schaut ironisch von unten nach oben. „Der Standort Sperenberg war unsere Hoffnung, klar. Aber unsere Chancen waren null. Wir wussten genau, was die Berliner wollten: einen innerstädtischen Flughafen gegen einen anderen innerstädtischen Flughafen tauschen.“

Jürgen Linde, Sozialdemokrat, Jurist, Verwaltungsbeamter a. D., Ex-Bundestagsabgeordneter und mit seinen 76 Lebensjahren immer noch ein ziemlich ausgeschlafener Typ, hat sich wohl nie Illusionen darüber gemacht, welcher Flughafenstandort im politischen Poker zwischen Bund, Berlin und Brandenburg durchsetzbar sein würde. Gesagt hat er damals, vor 15 Jahren, natürlich etwas anderes, und dass das auch richtig war, davon ist er heute noch überzeugt: „Sachlich gab es eine eindeutige Präferenz für Sperenberg. Schönefeld war der schlechteste Standort von allen.“

Warum es dann am Ende doch anders kam? „Die CDU-Führung war unser Problem“, erinnert Linde daran, dass zum Zeitpunkt der Gespräche am Beginn der neunziger Jahre sowohl in Berlin als auch in Bonn die Union die stärkste Regierungspartei war. Und dann gab es da noch etwas. Er nennt es spöttisch „übergeordnete Interessen“. Heißt: Der Bund wollte die bestehenden beziehungsweise gerade ausgebauten Flughäfen in Frankfurt am Main und München stärken. „Die Bundesregierung hatte überhaupt kein Interesse daran, dass bei Berlin ein neuer Großflughafen entsteht, der den Etablierten Konkurrenz gemacht hätte.“

Die Rolle, die Jürgen Linde bei den Flughafengesprächen in Brandenburg spielte, hatte für Berlin Volker Kähne inne. Volker Kähne, 70 Jahre, Jurist, Verwaltungsmensch außer Diensten, politischer Kopf, ohne Politiker gewesen sein zu wollen, christdemokratisch verbandelt, ohne je als Parteimitglied der CDU beigetreten zu sein, hat mit Jürgen Linde viel gemeinsam. Auch er ist hellwach, wenn es um das politische Erinnern geht, kann leicht ironisch werden, freilich ohne den Schuss Bissigkeit, der den Politiker Linde vom Verwaltungsjuristen Kähne unterscheidet. Die beiden haben viel zusammen auf den Weg gebracht, auch wenn es manchmal in einer Sackgasse endete. Ihre Schuld war es nicht.

Da ist der Fusionsvertrag zwischen Berlin und Brandenburg, den sie ausgehandelt hatten und der durch eine Volksabstimmung zur Basis eines gemeinsamen Bundeslandes hätte werden sollen. Wenn die Brandenburger im Mai 1996 nicht gezickt und Nein gesagt hätten. „Die West-Berliner fühlten sich damals geprellt“, erinnert sich Diepgens Frühwarnsystem, wie ihn die langjährige Tagesspiegel-Rathauskorrespondentin Brigitte Grunert einmal genannt hat. „Die West-Berliner hätten doch viel mehr verloren bei einer Fusion“, macht er die Rechnung auf, „Parlament und Regierung wären nach Potsdam abgewandert“.

Hat das Brandenburger Nein zur Fusion die Entscheidung pro Schönefeld rapide beschleunigt, wie Medien bis heute spekulieren? Nein, sagen sowohl Kähne wie Linde, die Würfel seien lange zuvor zugunsten Schönefelds gefallen gewesen. Die Zufahrten nach Sperenberg und ihren Unterhalt hätte Brandenburg alleine zahlen müssen, und zwar auf Dauer. Man habe aber großen Respekt für das Brandenburger Prinzip der dezentralen Konzentration gehabt, der Stärkung der Randregionen also, betont Kähne ungefragt.

Aber da war noch etwas, und das gab wohl letztlich den Ausschlag: „Die Brandenburger hatten nie berücksichtigt, dass die Nutzer aus Berlin kamen. Die haben weniger an die Passagiere gedacht als an die Arbeitsplätze. Wenn ich für die Fahrt zum Flughafen so lange brauche wie für den Flug selbst, dann ist das doch nichts.“ Das sieht Linde, der ansonsten noch heute, ganz wie auch vice versa Kähne, auf das kollegiale Verhältnis zum Partner großen Wert legt, völlig anders: „Von Sperenberg wäre man mit dem Transrapid in Nullkommanichts am Bahnhof Südkreuz gewesen.“

Und die Flughäfen Tegel, Tempelhof? Für Volker Kähne zählt, was im aktuellen Streit immer unter den Tisch fällt: wie stark die Berliner durch die Schließung der beiden Airports bald vom Fluglärm verschont werden. Und er wünscht sich für die Flugrouten von und nach Schönefeld „mehr Fantasie und Gestaltungskraft, so zu fliegen, dass die Menschen auch dort entlastet werden“.

Dazu fällt dem Sozialdemokraten Jürgen Linde etwas ein, das den Christdemokraten Eberhard Diepgen in einem seit langem währenden Streit bestätigen könnte. Diepgen hatte, auch im Tagesspiegel, mehrfach erklärt, er habe trotz des Konsensbeschlusses über die Schließung der Verkehrsflughäfen Tegel und Tempelhof immer noch eine Chance auf begrenzten Weiterbetrieb gesehen. Der frühere Regierende Bürgermeister hatte sich dabei aber stets auf Privatflieger bezogen, zum Beispiel in der Kombination mit einer großen internationalen Klinik am Flughafen Tempelhof.

Jürgen Linde dazu: „Diepgen und ich waren uns einig, dass wir Schönefeld nicht kriegen, wenn wir Tegel und Tempelhof nicht schließen. Aber wir wollten Tempelhof wenigstens als Regierungsflughafen retten. Deshalb habe ich mich über Wowereit so geärgert, dass er Tempelhof schließt ... aber da hätten die Berliner eben mit der Bundesregierung reden müssen. Und Klinken putzen, aber das liegt den Berlinern nicht.“Gerd Appenzeller

Volker Kähne, 70, Leiter der Berliner Senatskanzlei, galt als graue Eminenz der Stadtpolitik. Eberhard Diepgen, der Regierende Bürgermeister, hatte ihm die gelegentlich mühsamen Flughafengespräche mit dem Land Brandenburg übertragen.

Jürgen Linde, 76, war als engster Vertrauter von Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe der Mann, der Mitte der neunziger Jahre nicht nur die Fusions-, sondern auch die entscheidenden Flughafenverhandlungen führte.

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