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Lautere Absichten. Die Anwohner des künftigen Flughafens kämpfen weiter gegen Fluglärm.

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Fluglärm: Airportgegner geben keine Ruhe

Der Streit um den Lärm am neuen Flughafen geht weiter. Jetzt erwägt ein SPD-Abgeordneter, gegen die Eröffnung zu klagen, falls es beim Schallschutz nicht schneller geht.

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Er gilt in Brandenburg als einer der entschiedensten Kritiker des künftigen Großflughafens in Schönefeld: Jetzt droht der SPD-Abgeordnete Christoph Schulze, der jüngst aus Protest gegen die Flughafenpolitik der von Ministerpräsident Matthias Platzeck geführten Regierung aus der SPD-Landtagsfraktion austrat, mit einer Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht, um eine Verschiebung des für Anfang Juni geplanten Eröffnungstermins zu erreichen. Er werde seine Entscheidung davon abhängig machen, ob kurz vor Inbetriebnahme das Schallschutzprogramm für tausende betroffene Wohnungen in der Umgebung realisiert worden sei, „und zwar nicht nur auf dem Papier“, sagte Schulze am Mittwoch dem Tagesspiegel.

Die Flughafengesellschaft verweist darauf, dass mittlerweile in 12 000 von 14 000 Anträgen die Kostenübernahmevereinbarungen unterzeichnet seien, womit sie ihren Anteil erfüllt habe. Doch die Vereinbarungen sind im Detail umstritten. Und es gibt insgesamt 25 000 berechtigte Anrainer.

Christine Dorn vom Bündnis Südost gegen Fluglärm weiß, warum das so ist: „Die Bürger unterschreiben aus sehr gutem Grund nicht. Denn wer unterschreibt, verzichtet auf alle weitergehenden Ansprüche.“ Flughafen-Sprecher Leif Erichsen bestätigt das, kann daran aber nichts Schlechtes finden: „Eine solche Abgeltungsklausel ist drin, aber man verwirkt mit ihr keine zukünftigen Ansprüche“, sagt er. Die Fluglärm-Gegner bemängeln zudem das schleppende Tempo des Verfahrens. „Viele warten schon ein Jahr oder länger auf ihre Kostenerstattungsvereinbarung“, sagt Dorn, und dass die zugesagten Bauleistungen zu den 2008 vereinbarten Preisen heute nicht mehr zu haben seien. Auch kritisiert sie, dass die Verantwortung für den Bauauftrag nicht beim Staat bleibe, sondern dem Bürger aufgehalst werde, dieser aber dennoch nicht die Firma seiner Wahl beauftragen könne. So erklärt sich vielleicht, dass erst in etwa eintausend Wohnungen Lärmschutzfenster eingebaut wurden. Erichsen sagt, die Bedingungen seien mittlerweile angepasst worden und wertet das Programm als Erfolg.

Der Abgeordnete Schulze lässt sich nicht beirren. Als Vorbild für eine mögliche Klage verweist Schulze auf einen  Präzedenzfall am Münchener Flughafen, „wo die Situation um den Schallschutz vor der Eröffnung 1992 exakt die gleiche war.“ Auf einen Hinweis des Bundesverwaltungsgerichtes, sonst die Inbetriebnahme durch Entzug der Betriebserlaubnis zu verschieben, wurde Anrainern damals eine „Lärmrente“ gezahlt – bis zur Umsetzung des Schallschutzprogramms.

Dass – wie jetzt bekannt wurde – Flughafengesellschaft und Potsdamer Verkehrsministerium hinter den Kulissen bereits seit Sommer 2011 um die Schallschutzstandards streiten, schlägt für Kritiker wie Schulze „dem Fass den Boden“ aus. Wie berichtet, pocht das Verkehrsministerium auf den Planfeststellungsbeschluss, wonach es am Tage in Wohnungen der Umgebung durch Fluglärm keine Überschreitungen der Maximalpegel von 55 Dezibel geben darf. Die Flughafengesellschaft hält dies bei 6000 Wohnungen technisch nicht für realisierbar und will noch in diesem Monat eine „Klarstellung“ beantragen. Wenn das Verkehrsministerium als Planfeststellungsbehörde bei seiner bisherigen Auslegung bleibt, müsste der Flughafen das Bundesverwaltungsgericht anrufen. Die „Büchse der Pandora wäre geöffnet“, heißt es in Potsdamer Regierungskreisen. In Leipzig liegen noch weitere Klagen von Bürgern, meist mit dem Ziel, den ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss doch noch zu Fall zu bringen. Der war zwar 2006 vom Gericht für rechtens erklärt worden. Aber die Kläger waren damals nicht betroffen, weil andere Flugrouten geplant waren. Nun beantragen sie Wiedereinsetzung.

Auch Bürgerinitiativen setzen noch Hoffnungen auf Leipzig. „Es wäre eine Chance, das Lärmschutzgutachten des Umweltbundesamtes in das Verfahren einzubringen“, sagt etwa Schulze. „Schlechter für Betroffene wird es mit Sicherheit nicht.“ Es sei ohnehin „klar, dass es bei diesem Streit nur ums Geld geht“. Tatsächlich argumentiert das Verkehrsministerium, dass der Flughafen für den Fall, dass er die Auflagen technisch nicht umsetzen kann, nach dem Beschluss Betroffene mit 30 Prozent der Immobilienwerte entschädigen müsste. Setzte man pro Wohnung 150 000 Euro an, so rechnet  Schulze vor, käme man auf eine Größenordnung von 300 Millionen Euro – das bisherige Schallschutzprogramm habe ein Volumen von 140 Millionen Euro. „Das Problem ist gar nicht der Flughafen selbst“, sagt Schulze, „der macht doch nur, was die Eigentümer wollen, nämlich Brandenburg, Berlin und der Bund.“ Das meint auch Initiativen-Sprecherin Dorn. Sie ist gegen weitere Klagen. Mit einem Kompromiss könnte sie leben, sagt sie. Der aber müsse erst gefunden werden.

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