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Bau mit Risiko.

© dapd

Berlin: Flugrouten-Gegner drohen mit Klagewelle

Anwohner im Südwesten Berlins wollen bis vor den Europäischen Gerichtshof ziehen. Demonstration auf der Friedrichstraße

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Die Gemeinde Kleinmachnow, das kommunale Wohnungsunternehmen Gewog und private Kläger wollen alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um gegen den Fluglärm am Großflughafen BBI vorzugehen. Sollte es nicht gelingen, vor dem Bundesverwaltungsgericht die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses zu erzwingen, wollen die Kläger vor das Bundesverfassungsgericht und notfalls vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ziehen.

„Wir werden nicht zulassen, dass der Rechtsschutz für die Bürger durch die Machenschaften der Behörden ausgehebelt wird“, sagte Rechtsanwalt Christian von Hammerstein am Dienstag. Er kündigte weitere juristische Schritte an: Die Betriebsgenehmigung, die für BBI neu beantragt werden muss, soll angefochten werden. Außerdem sollen die Flugrouten, sobald sie festgelegt sind, mit einem Normenkontrollverfahren überprüft werden.

Die Kläger und deren Anwälte von der Berliner Kanzlei Raue machten gleichzeitig deutlich, dass sie nicht um jeden Preis klagen werden. Wenn die Vorschläge der Fluglärmkommission zur Umfliegung von Potsdam und Berlin beim westlichen Abflug von BBI umgesetzt würden, sei dies „eine Chance, den Rechtsfrieden wiederherzustellen“, sagte Hammerstein. Sein Kollege Markus Runde, dessen Verein „Pro Umwelt, Kultur und Recht in Berlin und Brandenburg“ Spenden für die Klagen sammelt, zeigte sich ebenfalls konsensbereit. „Wir sind keine notorischen Querulanten.“

Trotzdem wurde auf der Pressekonferenz im Kollhoff-Haus am Potsdamer Platz deutlich, dass die Aktivisten aus Kleinmachnow und Steglitz-Zehlendorf den Druck auf die Politiker nicht nur aufrechterhalten, sondern zunächst erhöhen wollen. So drohte Matthias Schubert, Sprecher einer Kleinmachnower Bürgerinitiative, mit einem Volksbegehren in Berlin und Brandenburg für ein strenges Nachtflugverbot. Es geht darum, jeden Flugbetrieb in den Randzeiten (22 bis 24 Uhr und 5 bis 6 Uhr) zu verhindern. Erzwingen lässt sich dies durch eine Volksabstimmung nicht. Denn eine entsprechende Änderung des Fluglärmgesetzes ist Sache des Bundes. Und für befristete Einschränkungen auf einzelnen Flughäfen sind die regionalen Planungsbehörden zuständig. Ein Volksentscheid könnte politischen Druck auf die Landesregierungen ausüben.

Auch beim Nachtflugverbot treten erst einmal die Juristen gegeneinander an. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet voraussichtlich am 20. September über Klagen von Anwohnern gegen den Flugbetrieb in den Randzeiten. Im Rechtsstreit um die Planfeststellung für BBI rechnen die Kläger im Spätsommer oder Frühherbst 2011 mit einem Richterspruch. Sollte das oberste Gericht in Leipzig die Klage abweisen, wollen die Kläger nach Karlsruhe ziehen. Sie wissen, dass es mindestens ein Jahr dauern wird, bis sich das Bundesverfassungsgericht eine Meinung bildet. Der Europäische Gerichtshof wäre anschließend auch nicht schneller. „Dann ist der Flughafen BBI zwar im Betrieb, aber unter Vorbehalt“, sagte Rechtsanwalt Wolfram Hertel. Und Tegel wäre geschlossen. Bei einer Aufhebung der Planfeststellung stünde die Hauptstadtregion ohne Flughafen da. Mit diesem Risiko müssten Berlin und Brandenburg leben.

Zahlreiche Bürgerinitiativen verlassen sich jedoch nicht auf den juristischen Weg und protestieren lautstark gegen die Flugrouten und vor allem gegen die Politiker von Bund und Ländern. Diese hätten eine „unheilige Allianz“ gebildet, sagte Thomas Szogalla von „Teltow gegen Fluglärm“ bei einer Demonstration durch die Berliner City-Ost am Dienstagabend. Mehrere hundert Teilnehmer, die Polizei schätzte 250, zogen von der Friedrichstraße zum Bundesverkehrsministerium und ließen sich auch vom Platzregen nicht aufhalten. Auf ihren Transparenten forderten sie unter anderem ein „Absolutes Nachtflugverbot“ und „Kein internationales Drehkreuz“ in Schönefeld.

Die meisten Teilnehmer ärgerten sich vor allem darüber, dass sie von den Politikern jahrelang angelogen worden seien, was die Flugrouten angehe. „Ich habe ein Haus in Teltow-Seehof gebaut, weil mir gesagt wurde, dass dort nicht geflogen werden wird“, sagte beispielsweise Lennart Svensson. Beim Protestzug schob der 56-jährige Ingenieur einen schwarzen Sarg, auf dessen Seiten die Worte „Vertrauen“ und „Planungssicherheit“ geschrieben standen. Viele Demonstranten wollten aus der Not des schlechten Wetters eine Tugend machen und beschrifteten ihre Regenschirme mit Parolen wie „Euer Drehkreuz auf unseren Schultern: Nein Danke“.

Begleitet wurden die Demonstranten von einem Beschallungswagen, der in unregelmäßigen Abständen das Geräusch startender Flugzeuge abspielte. Thomas Szogalla warnte bei seiner Ansprache auch vor einem „absoluten Vertrauensgau“, den die Politiker durch ihre undurchsichtigen Maßnahmen verschulden könnten. Wenn man die Demonstranten fragt, von denen viele den BBI am liebsten ganz von der Bildfläche verschwinden sehen würden, ist der Ernstfall längst eingetreten.

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