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Folgen des BER-Desaster: Nachtruhe? Nicht in Tegel

Eigentlich sollten dank BER über Spandau, Reinickendorf und Pankow keine Flugzeuge mehr zu hören sein. In den letzten Monaten flogen aber mehr als 700 Maschinen nach 23 Uhr – mit amtlicher Erlaubnis. Und das sind noch längst nicht alle.

Für die Anwohner von Spandau, Reinickendorf und Pankow hat das Desaster um den neuen BER-Flughafen in Schönefeld ganz konkrete Folgen: eine gestörte Nachtruhe. In welchem Ausmaß, das zeigen jetzt erstmals Zahlen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung für die Zeit nach der gescheiterten BER-Eröffnung im Frühjahr 2012. Von Juni bis zum Februar gab es 743 Starts und Landungen in der Zeit zwischen 23 und 6 Uhr, für die eigentlich ein Nachtflugverbot in Tegel gilt. Das bestätigen die Senatsverwaltung als zuständige Luftfahrtbehörde und die Flughafengesellschaft FBB.

Vergleichszahlen zu den Vorjahren, an denen sich ein Anstieg überprüfen ließe, legten beide Seiten trotz Nachfrage nicht vor. Allerdings, so hieß es von der Senatsverwaltung, gingen die Fachleute intern von einer deutlichen Zunahme aus. Die Flughafengesellschaft zeigte sich wenig überrascht von den Zahlen. „Tegel ist immer gewachsen“, sagte ein Sprecher. Ursprünglich war der Flughafen dort für sechs Millionen Passagiere ausgelegt. Im vergangenen Jahr wurden aber allein in Tegel 18 Millionen Fluggäste abgefertigt – das sind 7,4 Prozent mehr als im Jahr zuvor.

Nach der abgesagten Eröffnung des neuen Hauptstadtflughafens, der am 3. Juni 2012 in Betrieb hätte gehen sollen, hatten die Behörden vorab Ausnahmegenehmigungen erteilt. Schließlich musste in Tegel das erweiterte BER-Flugaufkommen bewältigt werden. In der Regel soll jetzt die Erlaubnis aber nur im Einzelfall und in dringenden Fällen direkt ins Cockpit erteilt worden sein. Dazu müssen die Fluggesellschaften aber nachweisen, dass sie nicht durch eigenes Verschulden das Nachtflugverbot in Tegel umgehen. Tatsächlich sind nach Angaben der Senatsverwaltung die meisten verspäteten Ankünfte nach 23 Uhr etwa auf „Wetterprobleme“ zurückzuführen.

Allerdings waren die meisten Flüge innerhalb des Nachtflugverbots bis Mitternacht auch abgewickelt, wie aus der Statistik hervorgeht. Es gab von Juni bis Februar insgesamt 46 Flüge zwischen Mitternacht und 6 Uhr – und das sind längst nicht alle Maschinen, die in der Nacht lärmen: Hinzu kommen noch Post-, Ambulanz und Regierungsflieger, für die ohnehin das Nachtflugverbot nicht gilt und die die Nachtruhe der Tegel-Anwohner – die Rede ist von etwa 300 000 Betroffenen – stören. Allein 40 Postflugzeuge gibt es monatlich zwischen 23 und 6 Uhr, bei den Ambulanzflügen sind es bis zu 24 im Monat. Und genau diese Maschinen verursachen auch den größten Krach. Für sie gilt auch nicht die Vorgabe des Senats, der für Linienflüge die leiseste Lärmkategorie von Flugzeugen zur Bedingung für Sondergenehmigungen machte.

Die Senatsverwaltung weist zudem darauf hin, dass es in Tegel traditionell in der Ferienzeit ein erhöhtes Flugaufkommen und mehr verspätete Flieger gibt. Durch das BER-Desaster ist dieses Problem noch größer geworden. Im Juni wurden trotz Nachtflugverbots für 112 Flugzeuge Genehmigungen erteilt. Die größte Anzahl verzeichnet die Statistik für den Ferienmonat Juli mit 170. In den Folgemonaten waren es stets weniger als 100. Im Oktober – zu den Herbstferien – erteilten die Behörden 96 Ausnahmegenehmigungen. Im Dezember gab es noch einmal für 102 Flieger eine Ausnahme. Die jüngsten in der Statistik erfassten Zahlen liegen für Februar vor: Verzeichnet sind 34 Flüge in der Zeit von 23 bis 6 Uhr.

Durch die verschobene BER-Eröffnung sei es zu einem erhöhten Flugaufkommen gekommen, sagte eine Sprecherin der Senatsverwaltung. „Das ist nicht schön für die Anwohner, aber auch nicht zu vermeiden.“ Zudem versuchen die Behörden, die Nachtruhe der Anwohner besonders in den Morgenstunden zu schützen. „Für Starts oder Landungen vor 6 Uhr gab es null Genehmigungen“, sagte die Sprecherin. Wegen des zunehmenden Flugverkehrs in Tegel formiert sich auch dort der Widerstand in den Anrainerbezirken, zumal der Flughafen wegen der BER-Pannen für 20 Millionen Euro fit gemacht werden muss, um dem Ansturm standzuhalten. Bürgerinitiativen fürchten, damit könnte die Zahl der Flüge in Tegel sogar noch steigen. Zudem pochen die Initiativen darauf, dass das Nachtflugverbot strikt eingehalten wird.Alexander Fröhlich

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