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Sitzblockade. Die Kreuzberger Admiralbrücke steht mittlerweile in vielen Reiseführern. Bis spät in die Nacht bevölkern Feiernde die Gehwege und die Fahrbahn. Foto: Kai-Uwe Heinrich

© Kai-Uwe Heinrich tsp

Admiralbrücke in Kreuzberg: Friedensverhandlung am Kanal

Zwei Mediatorinnen sollen den Streit um die nächtlichen Partys auf der Admiralbrücke schlichten. 18.000 Euro kostet das bis Ende des Jahres. Was meinen Sie: Lässt sich dadurch eine Lösung für das Lärmproblem finden?

Der Himmel über der Admiralbrücke sieht so gar nicht Sommerlaune aus. Es ist kühl und die Besucher, die sonst das Bauwerk bevölkern, machen sich rar. Aber Termin ist Termin, und so haben Sosan Azad und Doris Wietfeldt einen Tisch aufgebaut und ein großes Schild aufgestellt: „Mediation“ steht darauf.

Die beiden Frauen, quirlig-fröhlich die eine, ruhig und mit sanfter Stimme die andere, sind professionelle Streitschlichterinnen. Das Bezirksamt hat sie beauftragt, den Frieden in der eigentlich so idyllischen Gegend am Kanal und Kreuzberg wiederherzustellen. Denn dort herrscht schon seit längerem eine Art Krieg – es sollen sogar schon Stinkbomben gefallen sein – zwischen Anwohnern und Menschen, die bei schönem Wetter auf der Brücke feiern. Und zwar oft die ganze Nacht, sehr laut, mit viel Alkohol und Bergen von zurückgelassenem Müll.

„Ich hab’ die durchgezählt. 800 waren das an einem Abend“, sagt eine Frau mit kurzen grauen Haaren und runder roter Brille, die sich eben noch mit Sosan Azad unterhalten hat. Die 69-Jährige ist Anwohnerin und auf dem Kriegspfad. „Ich bin stinksauer. Das ist doch kein Zustand hier.“ Acht Anzeigen wegen Ruhestörung habe sie mal in einer Nacht erstattet. Aber sie musste auch schon viel einstecken. Nachdem sie sich im Fernsehen geäußert hatte, sei sie verfolgt und bedroht worden. Andere Anwohner hätten anonyme Briefe bekommen. Deshalb möchten die meisten nicht mehr mit ihrem Namen in der Zeitung stehen. Eine andere Frau, graue Haare, Jutetasche, nickt. Sie gehört wie die 69-Jährige zu einer Anwohnerinitiative.

Währenddessen verteilen die beiden Mediatorinnen eifrig Flyer auf deutsch, englisch und spanisch, sammeln E-Mail- Adressen, um die Beteiligten zu geplanten Gesprächsrunden einzuladen und sie erklären das Prinzip der Mediation. „Wir sind neutrale Personen, die das Gespräch moderieren“, sagt Doris Wietfeldt. „In Diskussionen sollen die Beteiligten ihre Ideen zusammenbringen und selbst Lösungen finden.“

Ideen gibt es tatsächlich schon: „Die Bands, die auf der Brücke spielen, müssten ihre Verstärker weglassen“, sagt eine 36-Jährige in elegantem schwarz, die auch gleich neben der Brücke wohnt und oft nicht schlafen kann. „Und man müsste die Partys zeitlich eingrenzen.“ Vor allem aber sei es gut, dass man sich die Sichtweise „der anderen Seite ins Bewusstsein“ rufe. „Vielen auf der Brücke ist bestimmt nicht klar, dass es auf unseren Balkonen viel lauter ist als unten.“ Die kurzhaarige 69-Jährige sieht das viel radikaler: „Alle Instrumente einziehen, Bußgelder ohne Ende verteilen und alle in den Tempelhofer Park verfrachten.“ Sie hatte die Idee zur Mediation – nachdem sie einen Fernsehbericht über einen ähnlichen Fall in Köln gesehen hatte. Bis November soll das Mediationsverfahren dauern, für das der Senat 18 000 Euro ausgibt, aber die Anwohnerin ist skeptisch: „Ich habe zwar auch ein bisschen Hoffnung, aber vor allem die Befürchtung, dass da die ganze Zeit nur palavert wird.“ Leeres Gerede – genau das solle Mediation nicht sein, sagt Doris Wietfeldt. Und gerade deshalb seien „Kritikerinnen“ wie die 69-Jährige wichtig.

Sosan Azad erklärt jetzt einem Polizisten, dass sie in den nächsten Wochen oft ihren Tisch auf der Brücke aufbauen werden. „Am Sonntag etwa von 14 bis 16 Uhr“, sagt sie. „Und ich bin von 13 bis 18 Uhr da – jeden Tag“, kräht ein älterer Mann mit grauem Vollbart und wirren langen Haaren. Er gehört zu jener Gruppe, die die eine Anwohnerin „Alks“ nennt. Er ist leicht angetrunken, hält eine Bierflasche in der Hand, hat aber doch etwas zu sagen: „Die Party muss ja nicht die ganze ganze Nacht dauern. Aber auch noch nicht um 19 Uhr aufhören. Im Grunde genommen sind doch nur nette Leute auf der Brücke.“

Zwei Mediatorinnen sollen den Streit um die nächtlichen Partys auf der Admiralbrücke schlichten. 18.000 Euro kostet das bis Ende des Jahres. Was meinen Sie: Lässt sich dadurch eine Lösung für das Lärmproblem finden?

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