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Update

Eine Woche nach Nazi-Attacke: Friedliche Demonstration gegen Gewalt und Rassismus

Kurdische Gruppen und Antifa-Aktivisten protestieren am Samstag friedlich gegen Gewalt und Rassismus. Alles bleibt ruhig, einzelne Teilnehmer loben die Polizei sogar für deren zurückhaltendes Vorgehen.

Erst unmittelbar vor dem Polizeipräsidium in der Tempelhofer Paradestraße ist Schluss. Die Front des Gebäudes ist mit einer Kette aus 15 Mannschaftswagen und Beamten abgeriegelt. Keiner der Demonstranten versucht durchzubrechen. Und die Veranstalter halten sich hier auch nicht lange auf, ziehen von selbst zurück zum Mehringdamm - und beenden die Demonstration kurz darauf vorzeitig.

Zuvor hatte es am Mehringdamm eine Kundgebung gegen rechte Gewalt gegeben. Die Veranstalter sprachen von rund 2000 Teilnehmern, die Polizei nannte offiziell 750. Die rund 400 im Einsatz befindlichen Beamten hielten sich sehr zurück und ließen sogar zu, dass die Demonstranten auf Höhe der Hasenheide eigenmächtig auch die Gegenfahrbahn für sich einnahmen. Festnahmen gab es nach offiziellen Angaben keine. Das deeskalierende Konzept der Polizei wurde sogar von den Demo-Teilnehmern gelobt, auch wenn vom Veranstaltungswagen dennoch immer wieder Schmährufe erschallten.

Die Polizei war schon am Startpunkt Kottbusser Tor mit einem Großaufgebot vor Ort und kontrollierte streng. Die Kottbusser Straße Richtung Hermannplatz wurde vorübergehend gesperrt. Gegen 18 Uhr setzte sich der Zug schließlich in Bewegung. Immer wieder wurden Passanten vom Veranstaltungswagen aus aufgefordert mitzulaufen.

Am Hermannplatz musste die Demonstration kurzzeitig wegen eines dort stattfindenden Familienfestes von der Polizei gestoppt werden, zog aber nach kurzer Pause weiter. Abgesehen von einigen verwunderten Blicken seitens der Festbesucher, gab es auch hier keine Zwischenfälle.

Zwischenzeitlich gesellten sich sogar einzelne Anwohner zu den Demonstranten. So setzte sich kurzzeitig ein kleiner Junge mit seinem Fahrrad an die Spitze des Zuges. Etwas unsicher wandte er sich an einen mitlaufenden Polizisten mit der Frage: "Sind die gefährlich?" Der Beamte konnte ihn aber schnell beruhigen und antwortete: "Nein, die wollen nur demonstrieren.".

Grund für den Aufzug waren die Nazi-Angriffe auf Migranten und Gegendemonstranten bei einem rechtsextremen Aufmarsch am vergangenen Samstag. Wie berichtet, überrannten die Neonazis die Polizei und attackierten wahllos Passanten und Sitzblockierer, die zum Teil schwer verletzt wurden.

Für 17 Uhr hatten Antifagruppen am Kottbusser Tor in Kreuzberg eine Kundgebung angemeldet. Um 18 Uhr stieß dann eine um 16 Uhr am Neuköllner Hermannplatz begonnene Demonstration von linken Kurden mit mehreren hundert Teilnehmern hinzu. Diese Demo "für ein freies Kurdistan" musste zuvor wegen eines Familienfestes am Hermannplatz kurzfristig um 200 Meter zum Kottbusser Damm verlegt werden.

Sorge macht Sicherheitsexperten die derzeitige Wut der linken Szene auf die Polizei, weil die Einsatzkräfte die Übergriffe der Neonazis am Mehringdamm nicht verhindert konnten und noch kein einziger Tatverdächtiger gefasst wurde. „Wir verlassen uns schon lange nicht mehr auf die Polizei, wir werden selber aktiv“, heißt es im Aufruf zu der Demonstration. Im Internet werfen Linksradikale der Polizei vor, sie hätte bei dem Aufmarsch „Hand in Hand mit den Nazis“ gearbeitet. Um Ausschreitungen zu verhindern, ist die Polizei mit einem Großaufgebot im Einsatz. Anmelder des Aufzugs ist dieselbe Privatperson, die im Jahr 2009 die Revolutionäre 1. Mai-Demo angemeldet hatte.

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