zum Hauptinhalt

Berlin: Friedrich Wegehaupt, geb. 1904

Der Mann hat Haltung. Aufrecht, im schwarzen Anzug, eine Aktenmappe unter dem linken Arm, so sieht man Friedrich Wegehaupt auf einem Wahlprospekt der CDU Ende der 60er Jahre.

Der Mann hat Haltung. Aufrecht, im schwarzen Anzug, eine Aktenmappe unter dem linken Arm, so sieht man Friedrich Wegehaupt auf einem Wahlprospekt der CDU Ende der 60er Jahre. Er selbst sah sich wohl auch so, denn das Foto hat der ehemalige Sozialpolitiker aus Schöneberg persönlich ausgesucht. Politik war die Obsession des gerade mal 1,68 Meter großen Mannes. Noch als 94-Jähriger besuchte er alle politischen Versammlungen der Berliner CDU, war auf Parteitagen und Bezirksversammlungen zu sehen.

1904 in Dresden geboren, gehörte Friedrich Wegehaupt zu den Widerstandskämpfern während des Nationalsozialismus. "Das bekam er sogar von den sowjetischen Besatzern schriftlich", sagt Juliane Kleinschmidt, seine langjährige Mitarbeiterin beim Bund der Mitteldeutschen. Seit er 1946 in Dresden die CDU mitgegründet hatte, engagierte er sich politisch für die Union. Mehr als einmal bekam er deshalb Probleme mit dem Regime in der damaligen sowjetischen Besatzungszone. Am 18. Oktober 1948 wurde er verhaftet. Fast zwei Jahre verbrachte Friedrich Wegehaupt im Dresdner Gefängnis als politischer Häftling unter normalen Straftätern. Die Zeit hinter Gittern hat Friedrich Wegehaupt geprägt. Sich wieder von der zwangsverordneten Enge frei zu machen, fiel ihm sein Leben lang schwer. Nie hat er es verwunden, im Gefängnis gewesen zu sein, sagt Juliane Kleinschmidt. Erzählt hat er darüber nur wenig.

Lebenstraum deutsche Einheit

Kurz nach seiner Freilassung Ende April 1950 verlässt Wegehaupt mit seiner Frau die DDR und flieht nach West-Berlin. Eine erfolgreiche Phase seines politischen Lebens beginnt. Wieder ist die CDU sein politischer Eckpfeiler. Schwerpunkt seiner Arbeit wird die Beschäftigung mit politisch Verfolgten und Flüchtlingen aus der DDR. 1953 gründet er den "Gesamtverband der Sowjetzonenflüchtlinge", aus dem 1974 der "Bund der Mitteldeutschen" wird. Bis zu seinem Tod bleibt er dessen Vorsitzender. Die juristische Kenntnis, die er für seine Arbeit als Politiker braucht, eignet er sich als Autodidakt an. Er nutzt seine Erfahrungen aus der Werbebranche, die er als PR-Agent einer Schreibmaschinenfirma sammelte. "Es gibt Leute, die müssen sich alles hart erarbeiten", sagt Juliane Kleinschmidt, "Friedrich Wegehaupt hatte zusätzlich großes Talent." Bei seinen Reden stützte er sich nur in Ausnahmefällen auf ein Manuskript. "Das meiste machte er aus dem Stegreif ohne große Vorbereitung", sagt sie.

Viele Jahre arbeitete er als persönlicher Referent von Ernst Lemmer, der in der Geschichte der Berliner CDU als Gründer und Landesvorsitzender eine große Rolle spielte. Von 1963 bis 1967 war Wegehaupt Mitglied des Abgeordnetenhauses. Etliche Jahre war er Bezirksverordneter in Schöneberg. Neben den Themen Sozialpolitik und Flüchtlingsangelegenheiten galt Wegehaupts vorrangiges Interesse der deutschen Einheit. "Die Erinnerung an seine Heimat Dresden hat ihn nie losgelassen", sagt Juliane Kleinschmidt. "Es war ihm wichtig, das Ziel der Einheit Deutschlands nicht einfach aufzugeben. Dass es dazu kommen würde, daran hat Friedrich Wegehaupt nie gezweifelt." Allerdings habe er gefürchtet, diesen Tag selbst nicht mehr zu erleben. Als er mit 83 Jahren den Fall der Mauer erlebte, war es für ihn ein triumphales Erlebnis.

Erinnerungen im Koffer

Zurück nach Dresden ging er nicht. Er fuhr oft hin, sah sich die Stadt an, doch für einen Neuanfang in seiner Heimatstadt fühlte er sich zu alt. Zudem hatte sich Wegehaupt schon in den 70er Jahren eine Zweitwohnung in Hessen gekauft. "Weil ihn die Landschaft und die Mentalität der Menschen in der Nähe von Kassel so sehr an seine Heimat erinnerte", sagt Juliane Kleinschmidt. Dass allerdings der Bund der Mitteldeutschen durch die Einheit zum Auslaufmodell wurde, stürzte ihn in eine Krise. Die Auflösung des Bundesverbandes machte ihn fassungslos. Lediglich der Landesverband Berlin, mit Sitz im Deutschlandhaus gegenüber der Ruine des Anhalter Bahnhofs, blieb bestehen.

Als seine Frau 1991 nach langer Krankheit starb, verschlechterte sich auch sein eigener Gesundheitszustand. Ins Privatleben zog sich Wegehaupt jedoch nicht zurück. Von nun an kümmerte sich Juliane Kleinschmidt auch jenseits der Arbeit um den Chef. Sie half ihm bei vielen Alltagsangelegenheiten. Mit ihr zusammen besuchte er die neu gebauten und restaurierten Gebäude Berlins. "Natürlich haben wir uns auch den neuen Reichstag angesehen", sagt Juliane Kleinschmidt. "Wir sind sogar noch bis in die Kuppel hinaufgestiegen."

Doch die Kräfte des über 90-Jährigen ließen nach. Von 1998 an nahm er nur noch Termine wahr, die sich aus seinem Ehrenamt als Stadtältestem ergaben. Genossen hat er diese Aufgabe, sagt Juliane Kleinschmidt. Dass man seinen Rat und seine Erfahrung zu schätzen wusste, freute ihn. Seine vielen politischen Kontakte, die weit über die engen Grenzen der Parteipolitik hinausgingen, ersetzten ihm während seines Lebens die Familie, war seine Ehe doch kinderlos geblieben.

Als Friedrich Wegehaupt mit 95 Jahren starb, hatte er niemanden mehr. So war es schließlich Juliane Kleinschmidt, die ihm bis zu seinem Tod beistand. Im Berliner Büro des Bundes der Mitteldeutschen stehen nun seine Koffer, voll mit seinen Unterlagen und Erinnerungen. Juliane Kleinschmidt will dafür sorgen, dass die geschichtsträchtige Hinterlassenschaft schon bald in Archiven und Gedenkstätten (beispielsweise im ehemaligen Auffanglager Marienfelde) eingesehen werden kann.

ue

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false