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Vandale an der SPD-Zentrale: Am Freitag wurde das Kurt-Schumacher-Haus in der Müllerstraße mit schwarzer Farbe besprüht.

© dpa

Update

Gewaltausbruch nach friedlichem 1. Mai: Linksextreme bekennen sich zu den Anschlägen auf Jobcenter

In der Nacht zum Freitag verübten Linksextreme Anschläge auf sechs Berliner Jobcenter, eine SPD-Zentrale und weitere Bürogebäude. Auf einer Internetseite der linken Szene tauchte nun ein Bekennerschreiben auf.

24 Stunden nach dem Anschlag auf die Bahn haben Linksextremisten in der Nacht zu Freitag eine Serie von Anschlägen auf sechs Jobcenter, die SPD-Zentrale in Wedding und mehrere Bürogebäude in allen Teilen der Stadt. Der Schaden dürfte mindestens sechsstellig sein, hieß es. Allein in der Arbeitsagentur Alarichstraße in Tempelhof warfen Unbekannte 80 Fensterscheiben ein. In anderen Bezirken wurden zahlreiche weitere Scheiben zerstört, Farbbomben geworfen und Parolen geschmiert. 

In der Storkower Straße in Pankow versuchten die Täter, Feuer im Eingang zu legen. Die Flammen erloschen jedoch schnell. In einigen Fällen beobachteten Anwohner vermummte Personen, die teilweise mit Fahrrädern flüchteten. In der Charlottenburger Königin-Elisabeth-Straße konnten Passanten bis zum Eintreffen der Polizei eine junge Frau festhalten, die Steine geworfen hatte. Die Frau hatte sich nach Polizeiangaben zuvor eines mitgeführten Stoffbeutels entledigt, in dem sich etliche Pflastersteine befanden. Den beiden Komplizen der Frau gelang die Flucht. Getroffen von zahlreichen Steinen wurde die Landesgeschäftsstelle der SPD in der Weddinger Müllerstraße. Vier Vermummte besprühten hier die Fassade und zerstörten mehrere Fensterscheiben mit Pflastersteinen. Ein Bürohaus in der Axel-Springer-Straße, in dem mehrere Botschaften und der deutsche Callcenter-Verband ihren Sitz haben, wurde mit schwarzer Farbe beschmiert.

Am 1. Mai war am Abend die Revolutionäre 1.-Mai-Demo an dem Gebäude vorbeigezogen. An einigen Tatorten wurden Parolen hinterlassen, zum Beispiel:„Klasse gegen Klasse“, „Revolte überall“ und „No Capitalism“. An das Amtsgericht Mitte in der Littenstraße wurde „Zwangsräumungen töten“ geschmiert. Ein Bekennerschreiben wurde am Freitagnachmittag auf einer linken Internetseite veröffentlicht. In dem mehrseitigen Schreiben heißt es, dass „Jobcenter und Arbeitsämter zentrale Institutionen zur Durchsetzung des Zwanges zur Arbeit“ seien und zudem „verantwortlich für die meisten der in nächster Zeit drohenden Zwangsräumungen“. Die SPD sei attackiert worden als Verantwortliche für die „Hartz-4-Scheiße“. Überschrieben ist das Pamphlet mit "Feuer und Flamme fürs Arbeitsamt".

In allen Fällen geschahen die Taten nach Mitternacht, wurden aber zum Teil erst mit Verzögerung entdeckt. Unklar ist, ob eine Tätergruppe mehrere Anschläge verübt hat. Die Tatorte liegen zwischen Reinickendorf und Johannisthal in weit auseinanderliegenden Bezirken. Der für politische Delikte zuständige Polizeiliche Staatsschutz beim Landeskriminalamt hat die Ermittlungen übernommen.

Uwe Mählmann, Sprecher der Berliner Arbeitsagenturen, konnte am Freitag noch keine Schadenshöhe nennen. Zum Teil seien die Gebäude nur gemietet, hier sei unklar, wer den Schaden hat. In der Alarichstraße, wo 80 Scheiben zerstört wurden, sind am Freitag trotzdem Kunden empfangen worden – trotz der eingeschlagenen Scheiben. „Wir haben nur die Glasscherben beseitigt“, sagte Mählmann, angesichts der nicht zu kalten Temperaturen sei dies möglich gewesen. „In dieser Größenordnung hat es noch keine Anschlagserie gegeben“, bilanzierte Mählmann.

Innensenator Frank Henkel verurteilte die „feigen Anschläge auf das Schärfste“. „Wer versucht, Demokraten einzuschüchtern, der wird auf unseren entschiedenen Widerstand treffen“, teilte Henkel mit. Den Anschlag auf die Bahn in der Nacht zu Donnerstag bewertete der Senator so:„Es geht offenbar darum, ein Klima der Angst und Verunsicherung zu schaffen.“ Zehntausende Berliner waren am Donnerstag ab 3 Uhr früh von der ganztägigen Sperrung von S-Bahn und Regionalbahn betroffen. Nach Angaben eines Sprechers rollte die S-Bahn ab 20 Uhr wieder, die Regionalbahn ab 21 Uhr.

Bezüglich des Anschlags auf die SPD übermittelte Henkel dem SPD-Landesvorsitzenden Jan Stöß telefonisch seine Solidarität. Das Weddinger SPD-Haus ist in den vergangenen Jahren mehrfach von Linksextremisten attackiert, ebenso das Arbeitsamt auf der anderen Seite der Müllerstraße. Ursprünglich sollte in der Walpurgisnacht die Demo der linken Szene an den Gebäuden vorbeilaufen, die Polizei hatte dies nach Angaben der Organisatoren jedoch untersagt. Auch nach der Demo in der Nacht zum 1. Mai hatte die Polizei vor den Gebäuden Wasserwerfer und Räumfahrzeuge postiert, weil die Befürchtung bestand, dass die Demo Absperrungen durchbrechen könnte. Auf Redebeiträgen sind vor allem die Jobcenter angegriffen worden.
Wie berichtet, war in diesem Jahr die Randale bei den traditionellen Demos in der Walpurgisnacht und am 1. Mai weitgehend ausgefallen. Jedoch hatten Militante bereits in der Nacht zum 2. Mai – unabhängig von der Autonomendemo – in Neukölln die Schaufenster von mehreren Geschäften und einer Bank in der Karl-Marx-Straße zerstört.

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