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Baumaterial ist schon auf der Baustelle des Hauptstadtflughafens BER zu sehen.

© dpa

Hauptstadtflughafen: BER - Ein Neuanfang im Nirgendwo?

Architekt Gisbert Dreyer hat einen Vorschlag zur Lösung des BER-Dramas: Ein komplett neuer Airport in Brandenburg – und ein Wohngebiet in Schönefeld.

Im über zwanzigjährigen Drama um den immer noch unvollendeten neuen Berliner Airport haben Warner, Kritiker und Skeptiker oft Recht behalten. Nun meldet sich zwei Jahre vor dem derzeit anvisierten BER-Starttermin im Oktober 2019 wieder einer zu Wort – mit einem ungewöhnlichen wie radikalen Vorstoß. Der Berliner Architekt Gisbert Dreyer legt einen alternativen langfristig tragfähigen Flughafen-Masterplan vor.

Er plädiert für den Bau eines neuen Großflughafens der Hauptstadtregion südlich von Sperenberg auf den „Fläming-Wiesen“ zwischen Baruth und Luckenwalde, in kaum bewohntem Gebiet. „Allein privat finanziert und errichtet“, sagte Dreyer dem Tagesspiegel, bevor er am Dienstagabend bei einer Veranstaltung des Vereins "Architekturpreis Berlin" seine Pläne erstmals öffentlich vorstellen wollte.

Nachnutzung vor der Nutzung

„Mein Plädoyer ist, dass der Airport bis 2026 errichtet wird und dann die drei innerstädtischen Flughäfen BER, Tegel und Schönefeld/Alt geschlossen werden.“ Eine Idee für den BER präsentiert er gleich mit. „Die Nachnutzung wäre kein Problem, die Milliarden wären nicht in den Sand gesetzt.“

Wie das? Nach seinen Worten könnte auf dem Schönefelder Areal samt Start- und Landebahnen ein neuer Stadtteil mit 250 000 neuen Wohnungen errichtet werden, für 300 000 bis 500 000 Einwohner. Dies wäre, sagte Dreyer, „eine Lösung für das Berliner Mietenproblem, ein Beitrag gegen die Gentrifizierung.“ Und: „Das BER-Terminal wäre ideal als Stadtteilzentrum geeignet, mit Geschäften, Arztpraxen, dem Rathaus, Sozial- und Kultureinrichtungen.“

Dreyer weiß wovon er spricht

So verrückt alles klingt: Der 76-Jährige, der mit seinen Firmen und privat in Dahlem residiert, sich auch auch in der Entwicklungshilfe engagiert, ist ein erfahrener wie erfolgreicher Projektentwickler. In Berlin hat er die „Treptowers“ und die Oberbaumcity gebaut, in München das Nobelquartier „Maximilianshöfe“. In Berlin sorgte er bereits für Gesprächsstoff, als er das ICC zum zweiten BER-Terminal machen wollte. Der BER lässt ihn nicht los.

2016 hatte Dreyer – Anstoß war das Rekordwachstum der Passagiere – auf eigene Kosten ein Gutachten des Planungsbüros Hoffmann und Leichter zur BER-Verkehrsanbindung erstellen lassen. Demnach droht mit der Verlegung von Tegel nach Schönefeld auf der Stadtautobahn nach Süden in Stoßzeiten der Kollaps.

Der BER führt zum Verkehrskollaps

Eine eigene Untersuchung hatten Senat, Brandenburgs Regierung und Flughafengesellschaft bis dahin nicht für nötig gehalten. Ein späteres Gutachten im Flughafen-Auftrag hat die Befunde bestätigt. Auch deshalb setzt Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup darauf, dass künftig noch mehr Fluggäste öffentliche Verkehrsmittel zur An- oder Abreise nutzen.

Doch auch die Rechnung wird nicht aufgehen, warnt Dreyer nun. Der BER werde vor allem wegen der dramatischen Verkehrsprobleme an Grenzen stoßen. Das Problem seien nicht Abfertigungskapazitäten, die Lütke Daldrup mit seinem jüngsten Masterplan 2040 anzupacken versucht. „Das Problem ist der falsche Standort, ist die Verbindung zur Stadt.“

So sei, als der BER geplant wurde, „niemand von den heutigen Pendlerströmen ausgegangen“. Genau das werde in den Spitzenstunden am Morgen und am Abend zum Problem, da damit die meisten Ankünfte und Abflüge genau mit den Pendlerbewegungen zusammenfallen.

„Es wird einen Konflikt zwischen Fluggästen und Arbeitsbevölkerung geben.“ Seine Prognose: Die S-Bahnen und Regios werden morgens von Schönefeld an mit Flugpassagieren überfüllt sein. „Die Pendler entlang der weiteren Stationen bleiben am Bahnsteig stehen. Abends ist es andersherum – in umgekehrter Richtung.“ Dann werde es für Passagiere schwierig, zum Flughafen zu kommen.

Tegel darf nicht schließen

Schon heute, wo in Schönefeld/Alt jährlich zehn Millionen Passagiere abgefertigt werden, seien in Stoßzeiten die S-Bahnen voll. Noch zwanzig Millionen Passagiere aus Tegel mehr verkrafte das System nicht. Und in kürzeren Abständen könne man aus technischen Gründen die S-Bahnen auch nicht fahren lassen.

Nach Dreyers Berechnungen ist das Problem so gravierend, dass den BER - mit einer Abfertigungskapazität von 22 Millionen Passagieren – „nur zehn, elf Millionen Passagiere jährlich erreichen können.“ Zusammen mit dem alten SXF-Airport werde man in Schönefeld realistisch rund 20 Millionen Passagiere abfertigen können.

Er macht sich keine Illusionen, dass von offizieller Seite versucht werden wird, seine Prognosen abzutun, die Dramatik zu beschönigen. Für ihn steht dennoch außer Zweifel, dass man „schon deshalb Tegel gar nicht schließen kann“ und mit Planungen für einen neuen Airport beginnen sollte.

Perspektive für die Lausitz

Als geeigneten Standort für den Flughafen, der mit Straßen- und Schienenanbindung ein 10-Milliarden–Projekt wäre, hat Dreyer die Flämingwiesen herausgefiltert. Das ist noch südlich von Sperenberg, wo einmal der Airport gebaut werden sollte. Dort leben – in der 55-Dezibel-Zone – derzeit eintausend Menschen, die man umsiedeln könne, sagt er. Es wäre ein Standort, an dem rund um die Uhr geflogen und nach Bedarf Start- und Landebahnen errichtet werden können, „drei, vier, mehr, wie international üblich.

"Für Brandenburg könne es das Projekt für die Lausitz nach der Braunkohle sein. Und auch „im nationalen Maßstab“ würde solch ein expansionsfähiger Airport benötigt, so Dreyer, da die bisherigen Drehkreuze Frankfurt am Main und München in der Mitte des nächsten Jahrzehnts am Limit sein werden.

Was ist sein Motiv? Es sei wie bei der Entwicklungshilfe, wo er sich engagiere, antwortet Dreyer. „Ich verbeiße mich in etwas, wenn ich es für richtig halte.“

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