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Aufpassen! Am Moritzplatz kommt es häufig zu Zusammenstößen, weil die Radspur ungünstig markiert und die Fahrbahn zu breit ist.

© Doris Spiekermann-Klaas

Hilfen für Radfahrer, Fußgänger, Autofahrer: Einfache Lösungen für Unfallschwerpunkte in Berlin

Viele Unfälle im Straßenverkehr ließen sich durch einfache Maßnahmen vermeiden, sagen Forscher. Wir haben uns solche Stellen im Berliner Straßennetz mal zeigen lassen.

Das vergangene Jahr war kein gutes für die Verkehrssicherheit in Berlin: Zum ersten Mal seit Jahren starben wieder mehr als 50 Menschen auf den Straßen der Stadt. Die offizielle Unfallbilanz liegt noch nicht vor, aber bisher spricht wenig dafür, dass die seit Jahren konstant hohe Zahl von etwa 17.000 Verletzten wesentlich gesunken ist.

Zu den tragischsten Fällen gehörte der Unfall auf der Langen Brücke in Köpenick Anfang Dezember: Ein Opel mit vier jungen Leuten geriet auf der Brückenrampe ins Schleudern und stürzte über eine kaum gesicherte Böschung in die Dahme. Der 18-jährige Fahrer und seine 20-jährige Beifahrerin starben. Vor dem Meer von Grablichtern und dem großen Holzkreuz an der Unfallstelle stehen immer wieder Menschen und fragen sich, warum die Stelle nicht besser gesichert war. Zur Wahrheit gehört, dass der Fahrer wesentlich schneller gewesen sein dürfte als die erlaubten 30 Stundenkilometer. Aber eben auch, dass die Straße an dieser Stelle keinen solchen Fehler verzeiht.

Dabei soll Infrastruktur genau das tun: Alleebäume werden mit Leitplanken umbaut, Busse per Haltestellenbremse gegen Wegrollen gesichert, Brücken (sonst) mit massiven Geländern versehen, Züge am roten Signal automatisch gebremst. Doch der Straßenverkehr hinkt hinterher: In keinem anderen Alltagsbereich kann eine kleine Nachlässigkeit so schwere Folgen haben. „Die Stadt ist voll von solchen Gefahrenstellen“, hat der Unfallforscher Siegfried Brockmann nach dem Unfall von Köpenick gesagt. Brockmann leitet die Unfallforschung der Versicherer und gehört dem Vorstand der Deutschen Verkehrswacht an.

Da geht’s lang. Unfallforscher Siegfried Brockmann kennt sich in der Stadt aus.
Da geht’s lang. Unfallforscher Siegfried Brockmann kennt sich in der Stadt aus.

© Doris Spiekermann-Klaas

Wir haben ihn beim Wort genommen – und mit ihm Orte besichtigt, die exemplarisch für eine fragwürdige Verkehrsplanung stehen. Manche dieser Stellen sind als Unfallhäufungspunkte längst erkannt, andere bisher unauffällig – aber vielleicht schon auf dem Weg zur „amtlichen“ Gefahrenstelle. Denn für die Entschärfung von Brennpunkten gilt tatsächlich, dass immer erst etwas passieren muss, nämlich eine auffällige Häufung von Unfällen mit Personenschäden in drei Jahren.

Während solche Stellen ein Fall für die Unfallkommission aus Verkehrsverwaltung, Polizei und Behörden werden, tut sich vorbeugend erfahrungsgemäß wenig. Dabei müssen Behörden in einer regelmäßigen „Verkehrsschau“ selbst auf die Suche nach gefährlichen Orten gehen. Nach Auskunft der Verwaltung hat die Unfallkommission im vergangenen Jahr 13 Problemstellen bearbeitet – acht davon als Wiedervorlage, weil ausweislich des Unfallgeschehens noch mehr zu tun war. Insgesamt hat die Kommission in knapp zehn Jahren rund 150 solcher Gefahrenorte bearbeitet. Dabei stehen stadtweit 1500 auf der Liste, ein Drittel davon als chronisch problematisch.

Die von Brockmann gezeigten Beispiele illustrieren exemplarisch, an welchen Stellen größte Vorsicht angebracht ist – und manchmal auch Glück, dass es gut geht. „Manches wäre zügig zu beseitigen und gar nicht teuer“, resümiert Brockmann. „Wenn es Berlin ernst meint mit seinem Ziel, die Opferzahlen deutlich zu senken, müsste die Verwaltung viel mehr tun.“

UNGESICHERTE EINMÜNDUNG

Beispiel: Wolfensteindamm – Birkbuschstraße (Steglitz).

Unfälle (2011–2013): 110 Unfälle mit 26 Verletzten; 13 mit Beteiligung von Fußgängern oder Radfahrern.

Häufigste Ursachen: Auffahren auf vorausfahrende Fahrzeuge, außerdem Zusammenstöße mit Fußgängern oder Fahrzeugen entlang dem Wolfensteindamm.

Kommt jemand von links? Das ist an der Birkbuschstraße schwer zu erkennen.
Kommt jemand von links? Das ist an der Birkbuschstraße schwer zu erkennen.

© Doris Spiekermann-Klaas

Problem: Die Birkbuschstraße mündet mit drei Spuren spitzwinklig in den Wolfensteindamm. Wenn dort gerade kein Auto kommt, fahren viele aus der Birkbuschstraße ungebremst hinein, zumal es fast geradeaus geht. Dabei können sie leicht ein Auto oder erst recht einen Radfahrer oder Fußgänger übersehen – oder schauen nach links und krachen dabei ins Heck des Vordermanns, der weniger forsch am Vorfahrt-beachten-Schild vorbeigebraust ist. Wer in der mittleren Spur fährt oder wartet (die rechte ist für Busse und Radfahrer reserviert), muss auf seinen Nebenmann vertrauen, weil der ihm jegliche Sicht nach links nimmt. Und Fußgänger können eigentlich nur rennen oder andere Wege suchen, weil es für sie nur eine Ampel vom linken Straßenrand bis zum Mittelstreifen gibt.

Lösungsvorschlag: Die Einmündung ist so schlecht überschaubar, dass sie eine Ampel braucht. Die gibt es sogar für die Gegenrichtung (also das Halb-Links-Abbiegen vom Wolfensteindamm in die Birkbuschstraße).

GEFÄHRLICHER KREISEL

Beispiel: Moritzplatz (Kreuzberg)

Unfälle (2011–2013): 154 Unfälle mit 61 Verletzten; 75 mit Beteiligung von Fußgängern oder Radfahrern.

Häufigste Ursachen: Fehler beim Abbiegen und Missachtung der Vorfahrt.

Problem: „Wir wissen aus der Forschung, dass eine markierte Fahrradspur im Kreisel ungünstig ist“, sagt Brockmann. Wer mit dem Auto in den Kreisel fährt und warten muss, blockiert sie. Wer den Kreisel verlässt, kreuzt die Radspur – und hat vom Fahrzeug aus größte Mühe, die Radfahrer zu sehen. Außerdem verleitet der breite Asphalt dazu, zweispurig zu fahren.

Lösungsvorschlag: Als Minimum schlägt der Unfallforscher eine wesentlich schmalere Fahrbahn vor, damit langsamer und einspurig gefahren werden muss. Außerdem wären entweder Mischverkehr (Radfahrer zwischen den Autos statt daneben) oder ein separat geführter Radweg außerhalb des Kreisels sicherer.

VERSTECKTES ZEBRA

Beispiel: Manfred-von-Richthofen- Straße (Tempelhof)

Vorsicht, Fußgänger. Sehr schlecht zu erkennen ist dieser Zebrastreifen.
Vorsicht, Fußgänger. Sehr schlecht zu erkennen ist dieser Zebrastreifen.

© Doris Spiekermann-Klaas

Problem: Parkende Autos am Fahrbahnrand und auf dem Mittelstreifen versperren die Sicht auf den Zebrastreifen. Querende Fußgänger sind erst zu sehen, wenn sie die Fahrbahn betreten

Lösungsvorschlag: Direkt vor dem Zebrastreifen müsste das Parken verboten beziehungsweise verhindert werden, um freie Sicht zu bekommen. Eine Gehwegvorstreckung, die deutlich über die geparkte Autoreihe hinausragt, würde zusätzlich helfen.

GIFTIGES GRÜN

Beispiel: Bundesallee, Ecke Südwestkorso (Wilmersdorf)

Unfälle (2011–2013): 22 Unfälle mit 5 Verletzten; 5 mit Beteiligung von Fußgängern oder Radfahrern.

Häufigste Ursachen: Zusammenstoß mit Fußgänger oder Radfahrer durch Fehler beim Abbiegen.

Problem: Von der Bundesallee darf hier in zwei Spuren rechts abgebogen werden – und das auch, während Radfahrer und Fußgänger Grün haben. Für Autofahrer ist die Furt praktisch nicht einsehbar, wenn sich in der Nachbarspur ein weiteres Fahrzeug befindet.

Lösungsvorschlag: Aus Brockmanns Sicht gibt es zwei Möglichkeiten: Getrennte Grünphasen für Autospuren und Radler beziehungsweise Fußgänger oder Aufhebung einer der beiden Rechtsabbiegespuren. Auf dem Südwestkorso geht es ohnehin nur einspurig weiter.

SCHIEFE (AUTO)BAHN

Beispiel: Friedenauer Brücke (Schöneberg)

Problem: Diese Regelung existiert an vielen Abfahrten der Stadtautobahn: Autofahrer treffen auf ampelgeregelte Stadtstraßen, auf die sie laut Beschilderung rechts oder links einbiegen dürfen. Wenn die Ausfahrt Grün bekommt, wird auch bei den Fußgängern und Radfahrern gegenüber – also vor der zugehörigen Auffahrt zur Autobahn – Grün. Das ist so lange in Ordnung, wie niemand geradeaus fährt. Aber wehe, wenn etwa ein Ortsfremder das Schild mit den Abbiegepfeilen übersehen hat oder ignoriert, weil er beispielsweise eine Ausfahrt zu früh von der Autobahn abgefahren ist und nun geradeaus wieder drauf will.

Lösungsvorschlag: Zeitlich getrennte Grünphasen für die Ausfahrt und die Fußgängerfurt gegenüber würden verhindern, dass ein einziger Fehler des Autofahrers für andere tödlich enden kann.

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