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Lebensfreude. Der elfjährige John Knight (links) mit seinem Vater Scott.

© privat

Hilfsaktion im Internet: Die ganze Welt spendet für den kleinen John

Er ist elf, er liebt das Reisen. Und er ist Autist. Seine Eltern sammeln online für ein Verlagsprojekt - auch, um anderen Mut zu machen

John Knight ist elf Jahre alt, und wenn seine Eltern von ihm erzählen, reden sie wie ein Buch. All das, was andere Kinder in seinem Alter machen, gelingt ihm nur mit größter Mühe oder gar nicht. John braucht eine 24-stündige Betreuung und ist auch beim Spielen stark beeinträchtigt. „Ich kann mich noch daran erinnern, dass wir versucht haben, mit ihm ,Backe, backe Kuchen’ zu spielen, er aber die Bewegungen und Abläufe nicht nachmachen konnte“, sagt seine Mutter Monika Scheele Knight. Als kleines Kind winkte er nicht zurück. John ist Autist. Doch er ist ein aufgewecktes Kind und hat eine für Autisten – die oft gleichbleibende Rituale und Tagesabläufe brauchen – unübliche Vorliebe: das Reisen. Johns 40-jährige Mutter und sein 41-jähriger Vater Scott Knight haben im Mai im Internet einen Spendenaufruf für ein Buchprojekt gestartet. „Tomorrow can wait“ („Morgen kann warten“) soll das Buch heißen und die Entwicklung von John anhand der Reisen, die die Familie unternommen hat, erzählen. Es wird ein Buch über Autismus, mit viel Service, und es soll Mut machen.

„Die Idee ist, unter anderem zu zeigen, wie sich ein Leben mit Autismus verändert“, sagt Monika Scheele Knight. „Wir sind schon immer viel gereist, weil wir zwischen den USA, wo John geboren ist, und Deutschland, wo meine Familie lebt, pendelten.“ Als John vier Jahre alt war, fuhr die Familie zum ersten Mal nach Griechenland. „Das hat super geklappt.“ Später gingen die Reisen quer durch Europa: Südtirol, Tschechien, Schweden. „Besonders Irland und Frankreich haben John gefallen. Das Grün, die Berge, das Wasser – all das scheint er zu mögen“, sagt Monika Scheele Knight. Oft werde sie gefragt, wie sie überhaupt beurteilen könne, dass John gerne reise, wo er doch nicht spreche: „Wir sehen es einfach. Er freut sich total, schon wenn wir vom Reisen reden. Er guckt auch gerne Fotos an.“

Besonders entspannend sind Urlaube jedoch nicht. John braucht ständig Betreuung. „Wir können ihn nicht alleine lassen, da er kein Gefahrenbewusstsein hat. Zu Hause haben wir alle möglichen Gefahrenpotenziale abgesteckt, etwa durch abschließbare Fenstergriffe.“ Kluburlaub etwa sei nicht möglich. „Wir schauen uns Sehenswürdigkeiten an, Museen besuchen können wir aber nicht. Dafür wandern wir, gehen spazieren und schwimmen.“ Auch eine Ochsentour durch Kliniken weltweit hat die Familie hinter sich. John hatte als Kleinkind auch Epilepsie.

Ihr Buchprojekt finanzieren die Eltern über das sogenannte Crowdfunding im Internet. Dabei kommt das Geld überwiegend von Einzelpersonen, über die Seite www.kickstarter.com, der größten derartigen Plattform aus den USA, gegründet 2009. Jeder, der ein Projekt beginnen möchte, kann seine Pläne dort vorstellen und Unterstützer gewinnen. Das Spendenminimum beträgt einen Dollar, die Beträge können selbst gestaffelt werden. „Je nach Spendenhöhe bekommen die Unterstützer entweder die PDF-Version des Buches, die gedruckte Ausgabe, ein signiertes Foto von John bei einem unserer Urlaube, oder ihr Name erscheint in der Dankesliste des Buches“, sagt Johns Mutter.

Seit 2009 konnten mehr als 24 000 Projekte über die Seite realisiert werden – dank zwei Millionen Förderern, die mehr als 250 Millionen Dollar spendeten. Am Mittwoch wurde die 6000-Dollar-Marke überschritten, dank Spendern aus der ganzen Welt. „Erst jetzt, wo diese Summe erreicht ist, werden die Kreditkarten belastet“, sagt Monika Scheele Knight. Kommt noch mehr Geld zusammen, wollen die Knights mehr Fotos drucken und ein professionelles Lektorat finanzieren.

Johns Mutter, Literaturwissenschaftlerin, arbeitet wie ihr Mann als Übersetzer, und als „Travel Director“ im Hotel Hilton am Gendarmenmarkt organisiert sie Studienreisen für amerikanische Alumni. Erscheinen soll das Buch in Englisch und Deutsch, ab Februar 2013. Scott Knight ist Amerikaner. In den USA sei der genetisch bedingte Autismus ein größer diskutiertes Thema. Laut einer US-Ministeriumsstudie ist in den Staaten eines von 88 Kindern Autist. Petra Steinhart-Müller vom Förderzentrum Autismus in Tempelhof geht von etwa 500 bis 700 Autisten in Berlin aus – ein nationales Register gibt es nicht. Für die Kommunikation benutzen die Psychologen etwa ein „Talker“-Gerät, den Kauf hat der Tagesspiegel-Spendenverein „Menschen helfen!“ unterstützt. Auch John hat so ein Gerät. 2005 zog seine Familie von Chicago nach Alt-Treptow. John besucht die Burgdorfschule in Fürstenwalde in Brandenburg, er lernt etwa im Toilettentraining, auf sich aufmerksam zu machen, er trägt Windeln. Es gebe in ihrem Leben trotz allem viele Glücksmomente, sagt die Mutter. Jetzt ist so einer.

Spenden möglich unter: www.kickstarter.com, den Buchtitel Tomorrow can wait ins Suchfeld tippen. Es gibt auch viele Fotos und ein Beispielkapitel auf Englisch.

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