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Eine Tagesmutter in Berlin. Neue Auflagen erschweren die Arbeit der Kinderbetreuerinnen.

© Thilo Rückeis

EU-Richtlinie: Hygiene-Regeln verunsichern Tagesmütter

Berliner Tagesmütter sollen in Zukunft dokumentieren, wo sie Lebensmittel einkaufen oder die genaue Temperatur ihres Kühlschranks notieren. Viele fürchten, dass sie nicht mehr zu ihren eigentlichen Aufgaben kommen.

Ein Schreiben vom Jugendamt hat Berliner Tagesmütter in Aufregung versetzt: Sie seien nach EU-Richtlinie „Lebensmittelunternehmer“, heißt es darin, und müssten deshalb jetzt eine lange Liste von Hygiene-Vorschriften einhalten und dazu eine Schulung erhalten. Die Vorschriften klingen fast wie Regeln für eine Schulkantine oder ein Restaurant: Es geht zum Beispiel um „Wareneingangskontrolle“.

Die Tagesmütter müssen etwa immer dokumentieren, wo Lebensmittel gekauft worden sind und alle Etiketten sechs Monate lang aufheben. Kassenbons reichen nicht aus. Überhaupt geht es bei vielen Punkten ums Katalogisieren: Jeden Tag muss etwa die genaue Temperatur des Kühlschranks notiert werden. Ebenso müsse es einen Reinigungs- und Desinfektionsplan geben. Die Vorschriften sollen ab dem 1. Januar 2012 gelten.

„Wir sind verunsichert“, sagt Judith Hoffmann aus Zehlendorf, die drei Kinder betreut. „Ist das ein Versuch, uns Tagesmütter abzuschaffen? Wie sollen wir noch unsere eigentliche Arbeit machen, wenn wir Stunden mit solchen Aufgaben verbringen müssen?“ Tagesmütter bekämen ständig neue Auflagen, die sie den Kitas gleichstellten: „Aber nur bei den Pflichten und nicht bei den Rechten.“ Eine andere Tagesmutter fürchtet, dass hohe Ausgaben auf sie zukommen, falls sie ihre Küche umrüsten muss.

Auch Mütter, deren Kinder bei Tagesmüttern untergebracht sind, machen ihrem Unmut über die Neuerung Luft: „Die Tagesmütter werden doch durch solche unwichtigen Tätigkeiten von ihrer eigentlichen Aufgabe angehalten: der liebevollen Betreuung von Kindern“, sagt Manon Dorn, Mutter eines zweijährigen Jungen. Sie sei noch nie in Sorge gewesen, dass es bei der Tagesmutter nicht hygienisch genug zugehe. „Für Tagesmütter stellen diese Forderungen eine Zumutung dar.

Rund 1300 Tagesmütter gibt es in Berlin. Noch nicht alle haben das Schreiben vom zuständigen Jugendamt erhalten. Denn es ist Aufgabe der Bezirke, sich um die Umsetzung der EU-Richtlinie zu kümmern, die Briefe zu verschicken und die Schulungen anzubieten. Eine Charlottenburger Tagesmutter sagt, sie sei noch nicht offiziell informiert worden, wisse nur von anderen Tagesmüttern von der Sache. In Friedrichshain hingegen fand die Schulung schon statt.

In Zehlendorf wird Gunhild Maaß von der Veterinäraufsicht die Schulung leiten und wahrscheinlich dabei auch die Tagesmütter etwas beruhigen: „Wir wollen keine Verhinderer von Kindertagespflege sein, sondern sie etwas sicherer machen und begleiten. Wir werden auch nicht die gleichen Bedingungen voraussetzen wie bei Großküchen.“ Und sie findet es „ein bisschen unsinnig, selbst die eigene Reinigung zu dokumentieren.“

Wichtig ist ihr aber, den Tagesmüttern beispielsweise beizubringen, dass sie lieber keine Spiegeleier zubereiten sollten – die Salmonellengefahr sei zu groß. In einiger Zeit würden die Kontrollen beginnen: Lebensmittelkontrolleure werden „zumindest größere Einrichtungen mit mehr als sechs Kindern überprüfen, die eigens eine Wohnung angemietet haben.“

Man werde versuchen, die EU-Richtlinien „mit Verstand und Herz handzuhaben“, sagt die Zehlendorfer Jugendstadträtin Christa Markl-Vieto (Grüne). Und präventiv. Denn Hygiene-Probleme habe es bislang noch nicht gegeben bei Zehlendorfer Tagesmüttern.

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