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Unter Männern. So einen Handschlag wie auf diesem Symbolbild hätte der Imam wohl nicht verweigert.

© Imago

Imam zeigt Lehrerin in Berlin an: Handschlag-Streit ist ein Fall misslungener Integration

Der eskalierte Konflikt um den verweigerten Handschlag eines Imams gegenüber einer Lehrerin zeigt, was passiert, wenn Religion und rechtliche Regeln nicht gleichermaßen anerkannt werden. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Harald Martenstein

Es gibt in Deutschland kein Gesetz, das einen Mann dazu verpflichtet, die ausgestreckte Hand einer Frau zu ergreifen. Unhöflichkeit ist legal. Es gibt aber sehr wohl ein Gesetz, das die Religionsausübung schützt. Ausgehend davon hat der im Iran und Irak ausgebildete Imam Kerim Ucar die Privatschule seiner Söhne verklagt.

Ucar ist bekennender Fan von Ajatollah Khomeini. Er hält es für eine Frechheit, dass die Lehrerin eines Sohnes ihn dafür kritisierte, dass er ihr zu Beginn eines Gespräches nicht die Hand geben wollte. Seine Religion verbiete ihm dies. Jetzt hat sich die Schule bei ihm entschuldigt, sie sind kulant bei der Kündigungsfrist und zahlen ihm Schulgeld zurück. Aber das reicht dem Imam nicht. Er verlangt ein weiteres Gespräch, in Anwesenheit des Sohnes. Er will dem Sohn zeigen, wie die Machtverhältnisse sind, zwischen Männern und Frauen, zwischen einer deutschen Schule und einem Imam.

Der deutsche Islamwissenschaftler Abderrahmane Ammar hat in einem Interview diesen Vorgang ein „Machtspiel“ genannt, kein Wort passt besser. Ammar sagt auch, warum ein Imam dieser besonders rigiden Denkschule den Handschlag verweigert. Es gehe darum, dass in seiner Vorstellung Frauen unrein sind, außer, sie gehören zur Familie. Anders gesagt: Eine fremde Frau steht viel zu tief und ist viel zu schmutzig, um einen Handschlag wert zu sein.

Toleranz ist immer gut, außer, man hat es mit Leuten zu tun, die ihrerseits die Toleranz abschaffen möchten. In einem islamischen Staat steht die Religion über allem, es gibt kein Recht jenseits der religiösen Gebote. In Deutschland sind die Religionen dem Staat nachgeordnet. Der religiöse Mensch muss hier nicht nur die Gesetze befolgen, er hat es auch im Alltag mit Spielregeln zu tun, die ihm nicht immer angenehm sind. Er muss akzeptieren, dass Schulen ein neutraler Ort sind, an dem der Staat die Spielregeln bestimmt, und nicht sein Gott. Der Fachbegriff für diese Anpassungsleistung heißt „Integration“. Wohin es führt, wenn Integration misslingt, aus Gleichgültigkeit, aus Scheu vor Konflikten, das sieht man in Frankreich. Wollten wir es nicht besser machen?

Den Muslimen muss man, glaube ich, zwei Botschaften senden. Erstens, dass sie nicht Bürger zweiter Klasse sind, sondern willkommen, niemand verlangt, dass sie ihre Religion aufgeben. Zweitens, dass hier im Alltag andere Regeln gelten, und zwar die gleichen für alle. Wenn nur eine der beiden Botschaften ankommt, ohne die andere, sind wir bald in Teufels Küche. Was soll aus Kindern werden, die lernen, dass aggressiver Starrsinn und die männliche Ehre wichtiger sind als alles andere, auch wichtiger als die Schule? Die meisten von ihnen dürften in diesem Land scheitern. Da bleibt am Ende nur Hass.

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