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Berliner Sommerbäder: In der Hitze des Gefechts

Der Gewaltausbruch im Sommerbad Neukölln war kein Einzelfall. Auch in Kreuzberg und Pankow haben es Sicherheitskräfte schwer.

Sie pöbeln, drängeln, provozieren. Und irgendwann schlagen sie zu. Immer wieder kommt es in Berlins Sommerbädern zu Attacken jugendlicher Gäste – meistens an Tagen mit besonders hohen Temperaturen. Nach dem jüngsten Gewaltausbruch im Sommerbad Neukölln und der anschließenden Räumung durch Polizeikräfte fordern Kritiker jetzt ein härteres Vorgehen – und zum Teil drastische Maßnahmen. Die Junge Union möchte das gesamte Sommerbad mit sofortiger Wirkung für eine Woche schließen. Nur so ließen sich „Lerneffekte“ erzielen, sagte der Landesvorsitzende Conrad Clemens, 27, dem Tagesspiegel. „Anstatt endlich ein Zeichen zu setzen, wird doch schon wieder so getan, als ob nichts gewesen sei.“

Robbin Juhnke, innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus und selbst Neuköllner, findet Clemens’ Forderung „gar nicht mal schlecht, pädagogisch gesehen wäre eine Schließung wahrscheinlich heilsam“. Allerdings träfe sie auch viele Unbeteiligte, zunächst müsse geprüft werden, ob die Täter vom Wochenende überhaupt Stammgäste des Bades seien. Von anderen Parteien wird der Vorschlag zurückgewiesen. Der Jungen Union sei wohl „die Hitze zu Kopf gestiegen“, kommentiert Björn Böhning (SPD) die Forderung. Die Neuköllner Grüne Anja Kofbinger sagt, eine „blödsinnigere Idee“ könne sie sich kaum vorstellen. Lieber solle man das Bad rund um die Uhr öffnen, um allen eine Abkühlung zu ermöglichen. So argumentiert auch Matthias Oloew, Sprecher der Bäderbetriebe: „Wir wollen den Neuköllnern weiterhin Gelegenheit bieten, sich abzukühlen. Wer weiß, wie sich die Gemüter sonst erhitzen.“ Nach dem Vorfall sei es am Sonntag und Montag friedlich geblieben, das Sicherheitspersonal wurde von acht auf zwölf Mitarbeiter verstärkt. Berlinweit seien rund 70 Security-Leute im Einsatz; 500 000 Euro kostet das pro Jahr. „Wir wollen nichts schönreden“, sagt Oloew. „Bei der Hitze kommt es in vollen Bädern tatsächlich zu Aggressionen. Aber man soll auch nicht so tun, als befänden sich unsere Gäste mitten in Schützengräben.“

Erst vor vier Wochen war es im Freibad Pankow zu einem Zwischenfall gekommen, als zwei 13-jährige Mädchen von einer Gruppe Jugendlicher angegriffen wurden. Das Bad an der Wolfshagener Straße zählt neben dem Sommerbad Neukölln und dem Prinzenbad in Kreuzberg zu den Orten mit den meisten Übergriffen und Polizeieinsätzen. Wie viele Taten genau verübt werden, hat die Polizei nicht statistisch erfasst. Die häufigsten seien jedoch Diebstahl, Beleidigung und Körperverletzung. Der spektakulärste Polizeieinsatz des vorigen Jahres fand ebenfalls am Columbiadamm statt, als 50 Störer türkischer oder arabischer Herkunft nach Tumulten vom Gelände geführt wurden. Insgesamt haben derzeit 300 Berliner Hausverbot bei den Bäderbetrieben.

JU-Chef Conrad Clemens hat das Neuköllner Bad selbst 15 Jahre lang besucht, bekam nach eigenen Angaben oft mit, wie „überall eine latent aggressive Stimmung herrscht, ob vor der Rutsche oder am Eisstand“. Das zeige sich schon im Kleinen. So würden etwa Drängler in Warteschlangen meist lieber durchgelassen, um sich bloß keinem Risiko auszusetzen. Sebastian Leber

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