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Freitagsgebet in der Sehitlik-Moschee in Berlin.

© DPA

Integration in Berlin: Koalition uneins über Vertrag mit Berlins Muslimen

SPD-Fraktionschef Raed Saleh schlägt einen Staatsvertrag mit dem Islam vor – und erhält dafür nicht nur Zustimmung. Union und Sozialdemokraten sind sich unsicher, ob ein Staatsvertrag überhaupt notwendig ist.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Der islamistische Terror ändert nichts daran, dass in Berlin das Miteinander der Religionen gestärkt werden soll. So wird der Vorschlag des SPD-Fraktionschefs Raed Saleh, einen Staatsvertrag mit den islamischen Gemeinden abzuschließen, vom Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) und der fachlich zuständigen Kulturverwaltung grundsätzlich unterstützt. Auch der SPD-Landeschef Jan Stöß begrüßte die „Bemühungen des Senats, mit den muslimischen Verbänden ins Gespräch zu kommen“.

Es sei wichtig zu zeigen, dass der Islam „zu unserem Land gehört wie das Christentum, der jüdische Glaube oder das Bekenntnis zum Humanismus“, sagte Stöß. Am Dienstag diskutierten die Regierungsfraktionen SPD und CDU über das Thema. Die Union hat noch keine feste Position, bei den Sozialdemokraten gibt es Vorbehalte, wie die kulturpolitische Sprecherin der Fraktion, Brigitte Lange sagte. „Ich weiß nicht, mit wem man einen Staatsvertrag verhandeln sollte.“

Vielfalt ist Herausforderung

Denn in Berlin sind rund 80 Moscheegemeinden aktiv, von denen nur ein Teil in Verbänden organisiert ist und die sich auf fünf Glaubensrichtungen und viele ethnische Ausrichtungen verteilen. „Diese Vielfalt ist eine große Herausforderung“, sagte der Sprecher der Kulturverwaltung, Günter Kolodziej. Aber das Angebot eines Staatsvertrags befördere vielleicht die innermuslimische Diskussion um einen Zusammenschluss.

In Hamburg und Bremen gibt es schon solche Verträge und in Niedersachsen sind die Verhandlungen zwischen der Landesregierung und drei großen Dachverbänden der Muslime auf gutem Weg. Auch in Hamburg und Bremen ist die Zahl der Vertragspartner mit Schura (Rat der Islamischen Gemeinschaften), Ditib (Türkisch-Islamische Union) und VIKZ (Islamische Kulturzentren) überschaubar. In Hamburg wurde der Vertrag zusätzlich mit der Alevitischen Gemeinde abgeschlossen.

Zwingend notwendig ist ein Staatsvertrag für Berlin nicht. Im Integrations- und Partizipationsgesetz ist der Umgang mit religiösen Feiertagen, dem Religionsunterricht, der seelsorgerischen Betreuung in Krankenhäusern, Pflegeheimen oder Haftanstalten und das Bestattungswesen auch für die Muslime weitgehend geregelt. Auch der Bau von Moscheen ist juristisch kein Problem, selbst wenn es im Einzelfall politische Konflikte geben kann. Auch die Einhaltung religiöser Speisevorschriften in öffentlichen Einrichtungen ist gesichert. Ein Staatsvertrag würde also geltende Rechte bündeln, sein Wert wäre eher politisch-symbolisch.

Verhandlung mit katholischer Kirche scheiterten

Islamische Theologie kann man in Berlin allerdings noch nicht studieren und das gesetzliche „Kopftuchverbot“ für Lehrerinnen, Justiz- und Polizeibeamte könnte bei den Vertragsverhandlungen neu diskutiert werden. In Niedersachsen wird über eine flexiblere Handhabung des Verbots nachgedacht. In jedem Fall müssten sich die Berliner Muslime, nach den Vorstellungen der SPD-Fraktion, vertraglich zu den demokratischen Grundwerten bekennen, einschließlich der Gleichstellung von Mann und Frau.

Bisher gibt es in Berlin nur zwei Staatsverträge: mit der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg (2006) und der Jüdischen Gemeinde (1994). Die Verhandlungen mit der Katholischen Kirche scheiterten vor einigen Jahren, vor allem am Streit über den schulischen Religionsunterricht.

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