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Die Tassen, die Julian Lechner entwickelt hat, werden aus Kaffeesatz hergestellt, der dann irgendwann wieder in der Tasse landet.

© Thilo Rückeis

Berlin: Kalter Kaffee, frisch aufbereitet

Der Berliner Julian Lechner hat eine Kaffeetasse aus Kaffeesatz entwickelt. Genug Rohstoff ist vorhanden. Nur mit der Produktion kommt er kaum hinterher.

Der Duft von gemahlenen Kaffeebohnen liegt nicht in der Luft, als die Tür zu den „Mosaik-Werkstätten für Behinderte“ aufgeht. Es riecht eher nach dem anstehenden Mittagessen, das hier gekocht wird. Die Stimmung ist gut und es herrscht geschäftiges Treiben. Genau hier, am Paul-Lincke-Ufer, wird ein ziemlich eigenwilliges Produkt hergestellt: Kaffeetassen aus Kaffeesatz. Eine Kaffeetasse aus kaltem Kaffee – das klingt so ironisch wie nützlich. Auch inmitten des Berliner Startup-Dschungels sticht die Idee heraus.

An seinen ersten Kaffee erinnere er sich nicht mehr, sagt Julian Lechner. Er ist der Erfinder und Gründer von „Kaffeeform“. Aber er trinke immer noch gern Espresso, schwarz, ohne Zucker.

Der 31- Jährige ist ein vielbeschäftigter Tüftler. Die Formel für die ungewöhnlichen Kaffeetassen hat er in wenigen Jahren entwickelt, um aus einem Abfallprodukt eine umweltfreundliche, robuste Kaffeetasse herzustellen.

Um der Tasse auf den Grund zu gehen, muss man nach Norditalien. Hier studierte der gebürtige Berliner interdisziplinäre Gestaltung und trank gemeinsam mit Freunden unzählige Espressi. „Irgendwann, ich glaube das war 2009, fragte ich mich, was wohl mit dem ganzen Kaffeesatz des getrunken Kaffees passiert“, erinnert sich Lechner. Und so entstand die Idee, die später zur Abschlussarbeit seines Studiums wurde. Zuerst bastelte Lechner an der Tasse, aber dabei beließ er es nicht. Einen kompletten Tisch aus benutzten Kaffeebohnen hat Lechner produziert.

Bevor der Kaffeesatz zur Tasse wird, geht er noch auf die Reise

Anfangs hatte er jedoch Probleme, die Tassen ausreichen stabil zu fertigen. Zuerst verfestigte er sie mit karamellisiertem Zucker, aber das war noch nicht ideal. Doch irgendwann fand Lechner die fehlende Zutat, die seinen Tassen heute zugrundeliegt. Das Geheimnis der Widerstandsfähigkeit liegt in pflanzlichen Bio-Polymeren, die als Bindemittel dienen. Das Produkt war ausgereift, nun konnte Lechner die Produktion beginnen. Die läuft in mehreren Phasen ab: Meist zwei bis drei Monate lang sammelt er Kaffeesatz aus Cafés in Berlin. Anschließend werden die Krümel ausgebreitet, getrocknet und in große Beutel verpackt. Die Beutel kommen dann erst einmal nach Baden-Württemberg. Hier werden die Bio-Polymere angemischt, aus den Kaffeekrümeln wird eine feste Masse. Für die geht die Reise dann weiter nach Köln, dort wird in einer Manufaktur die Masse zu Tassen geformt. Erst dann kommt das Produkt zurück nach Berlin, wo es schließlich in der „Mosaik“-Werkstatt landet. Bis zu fünf Mitarbeiter sind hier damit beschäftigt, die Produkte zu verpacken, an einem Tag auch schon mal hundert Stück.

Eigentlich ist die Tasse eine wie jede andere, sie ist sogar spülmaschinenfest. Die ersten drei Kaffees schmecken noch etwas intensiver als aus anderen Tassen. Danach ist kein Unterschied mehr zu schmecken. Jetzt kann man auch Tee in die Tasse gießen, ohne dass er nach Kaffee schmeckt. Der charakteristische Kaffee-Geruch bleibt noch etwa drei bis vier Monate erhalten, bevor er endgültig verfliegt.

Eine halbe Million Tonnen Kaffeesatz landeten 2014 in deutschen Mülleimern

Kaffeesatz ist nicht umweltschädlich, macht aber viel Müll. Mehr als eine halbe Million Tonnen sind 2014 nach Angaben des Deutschen Kaffeeverbandes in deutschen Mülleimern gelandet. Mit seiner Idee hat Lechner einen Weg gefunden, in der Verwertung einen Schritt weiterzugehen. Bis zu zehn Jahre soll die Tasse halten, verspricht er.

Seit zehn Monaten ist die Tasse in Produktion, mittlerweile ist Lechner bei Nummer 3482 angelangt. Die Nachfrage war zwischenzeitlich so groß, dass er seinen Onlineverkauf kurzzeitig einstellen musste. Die Produktion kam nicht mehr hinterher - spätestens am 24. März soll es Nachschub geben.

Lechner ist selbst überrascht von der großen Nachfrage. Er ist ein Ein-Mann- Betrieb, kümmert sich selbst um Herstellung und Vertrieb. Daneben tüftelt er weiter an seinen Tassen und entwickelt neue Formate. Bisher gibt es ausschließlich Tassen in Espresso-Größe zu kaufen. Sein nächstes Projekt ist eine Cappuccino-Tasse. Zunächst wird dazu ein Prototyp aus Kunststoff in 3 D ausgedruckt und am Design gefeilt, bevor die Produktion beginnen kann. Lechner ist zuversichtlich, dass es noch in diesem Jahr klappt. Auch ein Henkelbecher ist in Planung. Die Tassen gibt es nicht nur online zu kaufen. Insgesamt vertreiben 15 Geschäfte die Tasse. In drei Läden in Berlin, unter anderem im Bikini-Haus, gibt es das Produkt, auch in Paris, London und Oslo wird es verkauft.

Lechners Traum wäre es, ein ganzes Café mit seinen Tassen auszustatten, den Kaffeesatz könnte er dann vor Ort gleich wieder einsammeln.

Eine Tasse samt Untertasse kostet 20 Euro und ist voraussichtlich ab dem 24. März wieder erhältlich online unter www.kaffeeform.com

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