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Berlin: Katholiken ehren Filbinger mit Gedenkgottesdienst

Er soll Priester vor Hinrichtung bewahrt haben. SPD-Chef Müller: Andacht nicht nachvollziehbar

Deutschlands Katholiken blicken am heutigen Sonntag auf die Berliner Sankt Hedwigs Kathedrale. Ab 10 Uhr wird dort zu Ehren von Papst Benedikt XVI., der am Montag 80 Jahre alt wird, eine Andacht gefeiert. Für das Berliner Erzbistum, das den Gottesdienst, an dem auch Bundeskanzlerin Angela Merkel teilnimmt, ausrichtet, sollte es ein ungetrübter Freudentag werden. Doch jetzt wird die Papst-Andacht überschattet von einer Gedenkfeier, die zwei Tage später am selben Ort stattfindet. Die Domgemeinde veranstaltet am Dienstag einen Gedenkgottesdienst für den am 1. April verstorbenen Hans Filbinger. Prälat Wolfgang Knauft will in einer Ansprache daran erinnern, dass der einstige Ministerpräsident von Baden-Württemberg in seinem früheren Amt als NS-Marinerichter den Berliner Priester Karl Heinz Möbius vor der Vollstreckung eines Todesurteils bewahrt hat. Der Gedenkgottesdienst für Filbinger wurde gestern von Berliner Politikern verurteilt.

„Filbinger hat bis zum letzten Tag des ,Dritten Reiches‘ als Richter in hervorgehobener Position NS-Recht gesprochen, ohne sich davon zu distanzieren. Im Gegenteil: Auch in der Nachkriegszeit ist Filbinger mit seiner Geschichte unkritisch umgegangen“, sagte SPD-Landeschef Michael Müller. Aus diesem Grund sei „nicht nachvollziehbar“, warum ein Gedenkgottesdienst stattfinden solle. Dem Senat dagegen ist von dem Gottesdienst nichts bekannt. „Zu Veranstaltungen der katholischen Kirche gibt es keinen Kommentar“, sagte Senatssprecher Günter Kolodziej.

FDP-Landeschef Markus Löning wertete den Gottesdienst für Filbinger als „Desaster“. Filbinger stehe für die Unbelehrbaren aus der NS-Zeit. „Er war ein Uneinsichtiger, der sich nicht zu seiner persönlichen Schuld bekannt hat.“ Auch Grünen-Fraktionschefin Franziska Eichstädt-Bohlig hält eine „posthume Ehrung Filbingers für nicht angemessen“. Eine Gedenkandacht sei „sehr makaber, weil er nachgewiesenermaßen an Todesurteilen beteiligt war.“

Vorsichtiger formulierte es CDU-Generalsekretär Frank Henkel: Filbinger sei eine „differenziert zu betrachtende Persönlichkeit“. Man sei deshalb gut beraten, „alle Facetten seines Wirkens“ zu berücksichtigen.

Die Andacht sei schon seit Tagen geplant, sagte gestern der Sprecher des Erzbistums Berlin, Stefan Förner. Keinesfalls handle es sich um eine „Trotzreaktion“ auf die Kritik am Filbinger-Nachruf des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger. Es gehe auch nicht darum, Filbingers Beteiligung an Todesurteilen „zu beschönigen“.

Der Gedenkgottesdienst ist laut Förner keine Veranstaltung des Erzbistums, sondern erfolgt auf Initiative des Prälaten Wolfgang Knauft und der Domgemeinde. Knauft war bis zu seiner Pensionierung 1996 für die Kirchenmedien zuständig und gilt als Experte für das Schicksal der von den Nazis verfolgten Priester. Viele Katholiken wussten gestern allerdings noch nichts von dem Gedenkgottesdienst. Auch Hans-Joachim Meyer, Präsident der höchsten Laienorganisation, des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken, war nicht informiert. Er selbst distanziere sich kritisch „von der Unbelehrbarkeit Filbingers“, betonte Meyer. Eine Gedenkandacht für einen Toten sei andererseits „immer gut“. Beides müsse man „ausdrücklich auseinanderhalten“. Der Fall des von Filbinger geretteten Priesters Möbius war ihm bisher nicht bekannt.

Filbinger berichtete in seinem Buch „Die geschmähte Generation“ über Aussagen von Pfarrer Möbius, der ihm in Briefen für seine Hilfe gedankt hat: Möbius wurde 1944 wegen „Zersetzung der Wehrkraft“ zum Tode verurteilt. Dieses Urteil wurde später „dank Filbingers Intervention“ aufgehoben, so Prälat Knauft. Die Schreiben des Pfarrers sind im Diözesanarchiv Berlin dokumentiert. Knauft: „Es ist eine Pflicht der Gerechtigkeit, Filbinger dafür zu danken – auch wenn er ansonsten im Strudel der Kritik steht.“

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