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Berlin: Korruption: "Krebsschaden der Demokratie"

In Berlin werden immer mehr Fälle von Korruption aufgedeckt: "Die Korruption ist eine Art Krebsschaden der Demokratie", sagte Justizsenator Wolfgang Wieland (Grüne) gestern. Derzeit liefen 517 Verfahren unter anderem wegen Bestechung und Vorteilsannahme, mehrere hundert kämen in diesem Jahr noch hinzu.

In Berlin werden immer mehr Fälle von Korruption aufgedeckt: "Die Korruption ist eine Art Krebsschaden der Demokratie", sagte Justizsenator Wolfgang Wieland (Grüne) gestern. Derzeit liefen 517 Verfahren unter anderem wegen Bestechung und Vorteilsannahme, mehrere hundert kämen in diesem Jahr noch hinzu. Vergangenes Jahr waren es noch 473, 1995 noch 230 Verfahren.

Die Zahl der Korruptionsverfahren ist in den vergangenen Jahren ständig gestiegen, und steht derzeit auf dem Höhepunkt. Laut Wieland ist dies ein Erfolg des stärker gewordenen Verfolgungsdrucks durch Polizei und Staatsanwaltschaft. Der Leiter der Anti-Korruptionsabteilung bei der Staatsanwaltschaft, Claus-Peter Wulff, sagte: "Je genauer man hinsieht, desto mehr wird man entdecken." Gleichzeitig warnte Wulff, dass man Korruption nie ausschließen könne: "So blauäugig dürfen wir nicht sein." Nach Einschätzung der Ermittler sei die Berliner Verwaltung aber nicht korrupter als andere Bereiche des öffentlichen Lebens.

Zur Bekämpfung der Korruption brauche man keine neuen Gesetze, sagte Wulff. Die bestehenden reichten aus. Allerdings plädierten er und Wieland dafür, Aufträge der öffentlichen Hand künftig EU-weit auszuschreiben und Regelungen für das Sponsoring zu entwickeln, um den Mitarbeitern der Verwaltung verläßliche Richtlinien in die Hand zu geben, wie dies auch für Geschenke geregelt ist. Sponsoring könne "ein Einfallstor für Korruption sein", sagte Staatsanwalt Wulff.

Derzeit laufe ein Ermittlungsverfahren gegen einen Oberamtsrat der Senatsbauverwaltung, der im Zusammenhang mit der Ausschreibung von Brückensanierungen vermutlich seit über einem Jahrzehnt geschmiert worden sein soll. Ein Konto des Verdächtigen mit 1,8 Millionen Schweizer Franken sei beschlagnahmt worden. Der Mann hatte Ausschreibungen vorgetäuscht und dann die Aufträge an Unternehmen vergeben, die auf einer von ihm verfassten und geführten Liste standen.

Auf die Spur gekommen waren dem beschuldigten Mitarbeiter der Bauverwaltung Steuerprüfer im badischen Freiburg, die bei einer Firmenprüfung auf verdächtige Eintragungen in den Buchhaltungsunterlagen gestoßen waren. Diese wiesen einen direkten Weg nach Berlin. In diesem Ermittlungskomplex laufen nach Auskunft von Claus-Peter Wulff derzeit noch 50 Ermittlungsverfahren gegen 60 Beschuldigte.

Die Ermittlungen bei Korruptionsfällen seien schwierig und langwierig. Nicht nur, weil oft lediglich ein anonymer Hinweis den Anstoß gebe, der auch von einem verprellten Mitbieter in einer sonst regulär abgelaufenen Ausschreibung stammen könne, sondern auch, weil die "Beteiligten sich oft hochgradig konspirativ" verhielten, sagte Justizsenator Wieland.

Aus Fundstücken früherer Ermittlungen weiß die Staatsanwaltschaft, dass Berlin für die Baubranche als besonders lukrativer Boden gilt. Für das nahezu bankrotte Land Berlin kann das teuer werden. Werde bei Bauten für die öffentliche Hand die Gewinnspanne ohnehin um 20 Prozent höher als für Privatbauten angesetzt, so fielen Kalkulationen für Bauten in Berlin um insgesamt 30 Prozent höher aus als bei vergleichbaren Gebäuden, sagte Wulff. Der Korruptionsbekämpfer begrüßte die Innenrevisionen der Verwaltungen. Gelobt wurde besonders die Köpenicker Bezirksverwaltung: "Wenn es überall so liefe wie in diesem Bezirk, würde ich mir für die Zukunft viel weniger Sorgen machen."

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