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Einst Klinik, heute Fluchtpunkt. Das Krankenhaus Moabit wurde 2001 geschlossen. Einige glauben, dort werde auch wieder ein Krankenhaus gebraucht.

© Doris Spiekermann-Klaas

Krankenhauspläne in Berlin: Mut zu Moabit - neue Ideen für alte Klinik

Berlin braucht mehr Betten für Patienten. Soll das 2001 geschlossene Krankenhaus Moabit neu öffnen? Das fragt Günther Jonitz, Chef der Ärztekammer Berlin. Nun ist Gesundheitssenator Czaja am Zuge.

Feiner Nebel hängt in diesen Tagen zwischen den Kronen der hohen Laubbäume. Niesel perlt von den roten Backsteinwänden der traditionsreichen Bauten. Das alte Krankenhaus zwischen Perleberger Straße und Turmstraße ist 2001 geschlossen worden – vergessen aber wurde es nicht.

Schwestern und Pfleger, Ärzte und Techniker wehrten sich bis zuletzt gegen die Schließung des traditionsreichen Krankenhauses Moabit – nun holt es Günther Jonitz in die Debatte zurück. Der Präsident der Berliner Ärztekammer ist immer ein ideenreicher Gesundheitsfunktionär gewesen. „Es lohnt sich, darüber nachzudenken“, sagte Jonitz am Donnerstag, „dort wieder eine Klinik zu haben.“

Moabit ist nicht reich - braucht der Kiez eine neue Klinik?

Im Kiez in Moabit geht es den Anwohnern – statistisch gesehen – etwas schlechter als in vielen anderen Vierteln der Stadt: es gibt mehr Hartz-IV-Bezieher, weniger Akademiker, nicht alle Familien sprechen ausreichend gut Deutsch, um – womöglich – angebotene Hilfen zu nutzen. Doch Jonitz, der als Ärztekammerchef zahlreiche Gremien berät, geht es nicht nur um den Kiez, selbst wenn der eine Klinik vielleicht brauchen könne. Der Chirurg wünscht sich mit Blick auf die anstehende Aufrüstung der Krankenhäuser einfach „kein Gießkannenprinzip“. Hintergrund ist eine Ankündigung von Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU), der stadtweit etwa 1000 neue Klinikbetten in Aussicht gestellt hat.

Berlin wächst - und die Patienten werden älter

Bislang gibt es in Berlin fast 21 000 Krankenbetten in mehr als 50 Kliniken. Die reichen in den kommenden Jahren nicht mehr aus, denn die Stadt wächst. Wegen des steigenden Durchschnittsalters der Bewohner werden außerdem mehr Betten für Geriatriepatienten gebraucht. Und jedes Jahr werden die Rettungsstellen voller – im Jahr 2008 kamen 960 000 Patienten in die Berliner Notaufnahmen an, 2012 schon fast 1,2 Millionen –, weshalb auch dort investiert werden soll.

Günther Jonitz.
Günther Jonitz.

© promo

Czaja hatte aber davor gewarnt, dass einige Klinikmanager glauben könnten, ihnen stünden bestimmte Patientenmengen, also auch mehr Betten, zu. Tatsächlich fordern die meisten Krankenhäuser mehr Betten: Je größer eine Klinik ist, desto mehr Fördermittel kann sie beantragen, vor allem aber bekommen Krankenhäuser für mehr Patienten mehr Geld von den Krankenkassen. Weil die gesetzlich vorgeschriebenen Landesinvestitionen in Klinikgebäude und Medizintechnik in Berlin seit Jahren gering ausfallen, setzen viele Häuser also auf Masse: mehr Operationen bedeutet mehr Kassengeld.

Senator Czaja berät bald über den Krankenhausplan

Weil Senator Czaja die Kliniken ohnehin kaum wird zufriedenstellen können, die einflussreichen Häuser also immer mehr Betten fordern werden, setzt Jonitz auf einen kleinen Neubeginn: „Und Moabit wäre ein guter Standort – mindestens als Anregung.“ Der Ärztekammerpräsident sagte, es kämen auch andere Gelände in Betracht.

Wo welche Klinik wie viele Betten betreiben darf, wird im Krankenhausplan des Senats festgelegt. Kommendes Jahr werden Czajas Experten, Ärzteverbände und Klinikbetreiber über den neuen Krankenhausplan beraten. Er soll 2015 verabschiedet werden und vorerst von 2016 bis 2020 gelten.

Moabit - ein Klinik-Standort mit Tradition

Moabit ist seit dem 19. Jahrhundert Klinikstandort. Schon 1872 baute die Stadt an der Turmstraße ein Lazarett, eine wichtige Seuchenstation entstand. Nach der Vereinigung 1990 gab es in Berlin dann ziemlich viele Kliniken – und die Stadt wuchs auch noch nicht wie in den vergangenen zwei, drei Jahren. Die Landesregierungen ließen deshalb Krankenhäuser schließen, in Moabit wurde 2001 mehr als 700 Mitarbeitern gekündigt. Czaja ist der erste Gesundheitssenator, der wieder Betten in dieser Größenordnung aufbauen will.

Auf dem Gelände des alten Krankenhauses Moabit sind Praxen und Amtsräume entstanden.
Auf dem Gelände des alten Krankenhauses Moabit sind Praxen und Amtsräume entstanden.

© Tsp

Das Gelände nördlich der Turmstraße ist derzeit allerdings nicht ungenutzt – auch wenn dort noch viel Platz zu sein scheint. Betriebsärzte, die Rechtsmedizin, das Behandlungszentrum für Folteropfer haben Räume auf dem Areal. Seit einigen Jahren sitzt dort auch das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso). Dessen Chef steht gerade in der Kritik. Und mit ihm ein Senator, der schon wegen der Krankenhäuser viel zu tun hat: Mario Czaja ist auch für das Lageso zuständig.

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