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Berlin: Kreuzberger verhindern NPD-Demo

Fünfmal wollen die Rechtsextremen am Sonnabend demonstrieren – fünfmal stören Bürger lautstark. Zum Moritzplatz schaffen es die Neonazis gar nicht erst, in Hellersdorf treffen sie auf massiven Protest.

Es beginnt mit einer Schmach. Volltönend hat die NPD angekündigt, ihren Tag der Demonstrationen, in Kreuzberg zu beginnen. Ausgerechnet in Kreuzberg, der linken Festung. Um 9.30 Uhr wollen die Rechtsextremen auf dem Moritzplatz starten, 300 Meter vom Oranienplatz entfernt, wo seit Monaten Asylbewerber mit Duldung des Bezirksamtes campieren. Trotz der für Kreuzberger Verhältnisse frühen Stunde sind knapp 500 Gegendemonstranten auf dem Moritzplatz und in den Seitenstraßen. Und sie warten. Es wird 9.45 Uhr, es wird 10 Uhr, nichts geschieht. In den Gesichtern leitender Polizisten ist zu erkennen: Hier passiert nichts mehr. Die NPD kneift, hat dies der Polizei durchtelefoniert. Einsatzleiter Detlef Brenner lässt gegen 10.15 Uhr über den Polizeilautsprecherwagen durchsagen: Keine NPD-Demo in Kreuzberg. Jubel brandet auf.

Die vielen Gegendemonstranten haben an dieser Absage sicher einen großen Anteil, haben sie doch die Fahrbahnen sowohl in der Heinrich-Heine-Straße als auch am Moritzplatz dichtgemacht. Der Kleinlaster der NPD wäre hier nur schlecht zum vorgesehenen Standort durchgekommen, jedenfalls nicht ohne Reizgas- und Schlagstockeinsatz. Die Politprominenz freut sich ebenso, dass Kreuzberg verschont bleibt. Die Bundestagsfraktionsvorsitzende der Grünen, Renate Künast, ist gekommen, natürlich auch der Bezirksbürgermeister von FriedrichshainKreuzberg, Franz Schulz, ebenfalls ein Grüner. Die Stimmung ist bestens, die geplante Provokation geplatzt. Für 350 Polizisten ein ruhiger Start in einen langen Arbeitstag. Per Lautsprecher weist die Polizei sogar auf einen Doppeldecker-Bus hin, „der nach Marzahn fährt“.

Hellersdorf ist auf der Demo-Tagesordnung der NPD die Nummer 2. Fünf Auftritte über den ganzen Sonnabend und die ganze Stadt verteilt hat die rechtsextremistische Partei angekündigt. Überall dort, wo Asylbewerberheime existieren oder geplant sind. Eigentlich wollte die NPD mit ihrer Mini-Demo auf den Oranienplatz, das hatte die Polizei untersagt und den Moritzplatz vorgeschlagen.

In Hellersdorf soll ein Asylbewerberheim entstehen, in der vergangenen Woche war bei einer Bürgerversammlung die Stimmung hochgekocht, Rechts- und Linksextremisten hatten sich gegenseitig beschimpft. In Hellersdorf sind deshalb weit mehr Gegendemonstranten als in Kreuzberg, etwa 800 sind zum Alice-Salomon-Platz am U-Bahnhof Hellersdorf gekommen. Die Stimmung ist aufgeheizt. 30 bis 40 schwarzgekleidete Linksautonome haben die lockeren Absperrungen der Polizei durchbrochen und gelangen an den NPD-Kleinlaster, an dem Landesparteichef Sebastian Schmidtke an den Lautsprechern herumbastelt. Statt die Linken mit Gewalt zurückzudrängen lässt die Polizei den Laster einfach zehn Meter wegfahren, schon ist der Abstand wieder hergestellt. Aber die Gegner, darunter einige Asylbewerber, sind sehr dicht dran. Sie machen ohrenbetäubenden Krach, mit Musik, Sirenen und Gebrüll. Von Sebastian Schmidtke und den beiden anderen Rednern ist schon fünf Meter weiter nichts mehr zu verstehen. Am längsten redet Maria Fank, die Lebensgefährtin Schmidtkes, gegen den Radau an. Sie ist im Bundesvorstand der NPD-Frauenorganisation „Ring Nationaler Frauen“, was sie sagt, ist nicht zu verstehen. Nach Zählung der Polizei sind es 15 Rechte, von Demonstranten kann man schlecht sprechen. Es ist eher der Wachschutz für den Wagen und die Redner. Schnell müssen die Rechten Regenschirme aufspannen, es fliegen einige Eier und Wasserbomben. Am Einkaufscenter am Platz hängt in der vierten Etage ein Transparent mit Slogans gegen Nazis.

Etwas abseits steht Polizeipräsident Klaus Kandt, eigentlich ist er schon im Urlaub. Aber wegen der aufgeheizten Stimmung in Hellersdorf will er sich den Einsatz selbst ansehen. Letztlich bleibt es weitgehend friedlich, die Gegner versuchen nicht, durch die zwei Ketten Bereitschaftspolizei durchzubrechen.

Als der NPD-Tross aus einem Laster und einem Kleinbus schon weg ist, nimmt die Polizei einen Eierwerfer fest, verfrachtet ihn in einen Mannschaftswagen. Schnell wird die Stimmung bei den Umstehenden hitzig. Einige dutzend Menschen rütteln an der Wanne, blockieren deren Abfahrt. Recht robust schubsen Beamte die Menge beiseite, der Wagen kann abfahren. In Hellersdorf gibt es vier Festnahmen, später in Reinickendorf zwei und in Westend drei weitere. Vorwurf laut Polizei: Beleidigung, Körperverletzung, Widerstand, Sachbeschädigung.

Die späteren Auftritten der NPD sind ruhiger. In Reinickendorf, in Sichtweite des Märkischen Viertels, haben sich 250 Gegendemonstranten versammelt. Kurzzeitig können sie sich auf die Straße setzen und Schmidtkes Zeitplan um 30 Minuten verschieben. Nach Westend, zum Spandauer Damm, sind noch 200 Gegner mitgereist. Sie fahren auch in einem ausgemusterten Doppeldecker der BVG, am Steuer sitzt Dirk Stegemann, in der linken Szene seit Jahren als Demo-Organisator und -Anmelder bekannt. Und Stegemann, das ist sein Vorteil, ist im Besitz eines Bus-Führerscheins. Gegen 15.45 Uhr startet er Richtung Marienfelde, zur letzten Station der NPD. Dort wird sie schon von 170 Gegendemonstranten erwartet. Besondere Vorkommnisse: Keine.

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