zum Hauptinhalt

Berlin: Kulturrevolution an der Uni

Ein Christdemokrat als AStA-Vorsitzender? Das hat es 40 Jahre lang nicht gegeben – seit Eberhard Diepgen

Rechtsruck am Ernst-Reuter- Platz? Wenn sich heute der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) der Technischen Universität (TU) in Charlottenburg zu seiner konstituierenden Sitzung trifft, wird er zum ersten Mal seit mehr als vier Jahrzehnten von konservativen Studenten dominiert. Neun der zehn AStA-Posten sind mit Mitgliedern oder Sympathisanten des CDU-nahen Rings Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) besetzt. Den Machtwechsel ermöglichte ein Sieg konservativer Kandidaten bei der Wahl zum Studentenparlament im vergangenen Juli.

Bisher galt die TU als linke Hochburg. Nun ist einzig im Finanzreferat des AStA ein versprengter Linker übrig geblieben. „Und auch das nur wegen eines Betriebsunfalls“, sagt Gottfried Ludewig, der neue AStA-Vorsitzende vom RCDS, selbstbewusst. Der 24-jährige Ludewig geht davon aus, dass das Studentenparlament in spätestens drei Wochen auch den letzten Linken abwählen wird. Danach soll es nach dem Willen des angehenden Volkswirtschaftlers in christdemokratischer Tradition weitergehen: Für die Einführung des elektronischen Studentenausweis „Campus Card“ will sich Ludewig stark machen. Seine linken Amtsvorgänger haben die Chipkarte abgelehnt, weil sie durch Lesegeräte Möglichkeiten zur Anwesenheitskontrolle in Vorlesungen böte. Als Bürgerlicher will Ludewig auch studierenden Eltern helfen – mit einem „Netzwerk für Familie“. Herzstück der konservativen Revolution soll jedoch das Ende der „Klüngelwirtschaft“sein, gemeint ist Unterstützung linker Gruppen durch den abgewählten AStA, die ihre Flugblätter in der TU-eigenen Druckerei hätten herstellen können. Ludewig will die Druckerei deshalb möglicherweise verkaufen. Mehr als 400 000 Euro hat der AStA jährlich zu verwalten, fast 30 000 Hochschüler studieren an der TU.

Christdemokratische Studentenführer sind in der Hauptstadt bisher höchst selten – dafür aber umso bekannter: Vor 43 Jahren wurde an der Freien Universität (FU) der Jurastudent und spätere Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) für den RCDS zum AStA-Vorsitzenden gewählt. Mit Ratschlägen an den politischen Nachwuchs will sich Diepgen heute aber zurückhalten: „Ich kenne die Umstände an der TU nicht.“

Seit Diepgen hat es an den Hochschulen der Stadt kein Christdemokrat mehr geschafft, einen Studierendenausschuss zu erobern – FU und Humboldt- Universität sind bis heute fest in linker Hand. Und selbst die Amtszeit Diepgens währte nicht lange. Wegen seiner Mitgliedschaft in einer Burschenschaft erhoben Kommilitonen damals Widerspruch gegen Diepgens Wahl – zwei Wochen nach Amtsantritt wurde er abgewählt. Ein solches Schicksal fürchtet Gottfried Ludewig nicht: „Unsere Mehrheit ist sicher.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false