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Ulrich Nußbaum (parteilos) wird ein schlechter politischer und persönlicher Stil vorgeworfen.

© dapd

Berlins Finanzsenator: Nußbaum verliert Rückhalt in eigener Koalition

In der rot-schwarzen Landesregierung herrscht Unmut über Ulrich Nußbaum. In der SPD mehren sich die Stimmen, Wowereit solle den Finanzsenator in die Schranken weisen. Und auch aus der CDU kommt Kritik.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Der Finanzsenator Ulrich Nußbaum ist laut Umfragen bei den Bürgern so beliebt wie kein anderer Politiker in Berlin. Die Wirtschaftsverbände und Kammern sind ihm wohlgesonnen und dank sprudelnder Steuereinnahmen kann der Senator spätestens 2014 mit einem Landeshaushalt glänzen, der ohne neue Schulden auskommt. Trotzdem steht Nußbaum auf einem hohen Sockel, der nicht mehr standsicher ist. Denn im Senat, in der Koalition und den Bezirks-Rathäusern wächst die Zahl derer, denen der parteilose Politiker zunehmend auf die Nerven geht.

Hochmütig sei er, schimpfen Genossen auf den parteilosen SPD-Sympathisanten. Nußbaum halte sich für den Größten und handele stets eigenmächtig. Etwa beim Streit um öffentliche Liegenschaften, bei der Finanzierung kommunaler Aufgaben oder dem Umgang mit Landesbeteiligungen. Seine jovialen Gesten verfangen offenbar nicht mehr. Selbst wenn er auf der Senatsbank im Abgeordnetenhaus nett mit der neuen Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU) plaudert oder im Hauptausschuss des Parlaments alle Abgeordneten mit Handschlag begrüßt, Arme tätschelt, Witzchen reißt.

Mit dem aktuellen Konflikt um die Besetzung von Aufsichtsräten bei der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Degewo und dem Klinikkonzern Vivantes hat die Verärgerung über Nußbaum eine neue Qualität gewonnen. Sein erklärtes Ziel, das schon der Vorgänger Thilo Sarrazin (SPD) zielstrebig verfolgte: Die Landesunternehmen sollen vom Finanzsenator an der kurzen Leine geführt und dem politischen Einfluss des Parlaments und anderer Senatskollegen so weit wie möglich entzogen werden. Um das zu befördern, werden strategisch wichtige Jobs in Vorständen und Aufsichtsgremien mit Vertrauenspersonen besetzt. 75 Aufsichtsratsmitglieder wurden auf Vorschlag Nußbaums seit seinem Amtsantritt bestellt. Das ist fast die Hälfte aller Neuberufungen.

Das können durchaus begründbare Personalentscheidungen gewesen sein, selbst wenn neue Gremienmitglieder im Einzelfall aus Bremen kamen. Auch ist der Hinweis Nußbaums, dass der langjährige Degewo-Aufsichtsratchef Karl Kauermann wegen geschäftlicher Interessenskonflikte abberufen wurde, ernst zu nehmen. Trotzdem mehren sich die Anzeichen dafür, dass die Regierungsfraktionen SPD und CDU den als arrogant empfundenen Eigensinn des Finanzsenators nicht länger hinnehmen wollen. Einige Sozialdemokraten sind auch irritiert, weil der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) kaum einschreitet, Nußbaum gewähren lässt. Selbst dann, wenn sich der Senator in den Vorbesprechungen zur Kabinettssitzung vorzugsweise mit dem Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) zofft, bisher ein enger Vertrauter und Weggefährte Wowereits.

Seine Gegner nennen Nußbaum einen "Blender"

Ulrich Nußbaum (parteilos, für die SPD), 55 Jahre alt und seit 2009 Senator in Berlin.
Ulrich Nußbaum (parteilos, für die SPD), 55 Jahre alt und seit 2009 Senator in Berlin.

© dpa

Die Kritiker Nußbaums, die sich bisher weder öffentlich noch namentlich äußern, stoßen sich nicht am normalen Amtsverständnis. Jeder Finanzsenator müsse nerven und alle Geldausgaben hartnäckig in Zweifel ziehen, heißt es. Diese Rolle hat Nußbaums berühmter Vorgänger Sarrazin sogar noch besser beherrscht. Es geht um etwas anderes: Dem jetzigen Amtsinhaber, der vom Regierenden 2009 aus Bremen geholt wurde, wird ein schlechter politischer und persönlicher Stil vorgeworfen.

Ein Stil, an dem Nußbaum offenbar nichts ändern will. Bisher ist er sich jedenfalls treu geblieben. Smart, stets ein Einstecktuch im Sakko, aber beinhart. Ein umtriebiger Machtmensch, querköpfig und fintenreich, der es gewohnt ist, auf der Welle des Erfolgs zu surfen. Ein Großhändler, der aus eigener Kraft vermögend wurde und der sein unternehmerisches Modell in die Politik exportierte: Jeder andere Fischhändler oder Politiker ist ein Konkurrent, den man kleinhalten muss. Im eher kleinen Bremen, wo Nußbaum vorher Finanzsenator war, fiel das nicht so auf. Da gehörte er zum patrizischen Adel, der mit der hanseatischen Sozialdemokratie traditionell eng verbandelt war und gern unter sich blieb.

Aber in Berlin stand der neue Senator sofort im Rampenlicht, er genießt seitdem die hauptstädtische Höhenluft in vollen Zügen und verstrahlt gute Laune. „Aber er ist ein Blender, ein Januskopf“, sagen seine ärgsten Gegner. Hinter der freundlichen Fassade erweitere er sein Revier mit allen Mitteln. Dabei kommt Nußbaum natürlich zugute, dass er die Landeskasse hütet und die öffentlichen Unternehmen Berlins kontrolliert. Wer zahlt, schafft an.

Es sei ein Fehler gewesen, den Finanzsenator nach der Wahl 2011 im Amt zu halten, hört man inzwischen aus der SPD. Aber auch führende Christdemokraten sagen hinter vorgehaltener Hand, „der Herr Nußbaum“ sei zwar ein brauchbarer Finanzsenator, aber er müsse in die Schranken gewiesen werden. Auf Spekulationen, Nußbaum strebe trotz ständiger Dementis mittelfristig doch das Amt des Regierenden Bürgermeisters an, reagieren Sozial- und Christdemokraten nur noch mit einem schiefen Grinsen. Dazu bräuchte er ein Parteibuch – aber vor allem ein paar politische Freunde.

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