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Buschkowsky, Neukölln zum Betreuungsgeld: "Das ist Zynismus pur"

Neuköllns Bezirksbürgermeister Buschkowsky hält das Betreuungsgeld für einen Rückschritt.

Von Sandra Dassler

Was haben Sie gedacht, als Sie vom geplanten Betreuungsgeld erfuhren?



Dass es offensichtlich immer noch Menschen gibt, die gar nichts begriffen haben. Wenn man Bildungsferne der Eltern und Chancenlosigkeit von Kindern manifestieren und weiter ausbauen will, ist das zweifellos der beste Weg.

Warum?

Weil das Leben von sozialen Transferleistungen für die sogenannten bildungsfernen Schichten komfortabler wird. Kinder werden noch mehr zu einem Einkommensfaktor. Mit anderen Worten: Schwarz-Gelb konserviert die Unterschicht und verschärft zugleich das Jugendstrafrecht. Das ist gesellschaftspolitischer Zynismus pur.

Das hört sich sehr frustriert an.

Ich bin, gelinde gesagt, fassungslos. Prämien, damit Kinder im Milieu bleiben anstatt integriert zu werden? Das ist doch völlig rückwärts gewandt. Das Vorhaben ignoriert die Erfolge fast aller OECD-Staaten und sämtliche wissenschaftliche Studien. Unter Fachleuten herrscht Einigkeit darüber, dass wir in die Kinder investieren müssen und nicht in die Eltern. Das trampelt die neue Koalition jetzt alles mit Brachialgewalt nieder.

Was befürchten Sie denn konkret?

Dass das Betreuungsgeld eben nicht zur Förderung und Bildung der Kinder ausgegeben wird. Im Klartext: In der deutschen Unterschicht wird es versoffen und in der migrantischen Unterschicht kommt die Oma aus der Heimat zum Erziehen, wenn überhaupt.

Die Oma muss ja nicht per se schlecht für die Kinder sein.

Nein, aber sie wird leider in 99 Prozent der Fälle kein Deutsch sprechen. Genauso wenig wie die Eltern. Schon allein deshalb ist ja der Kita-Besuch so wichtig. Und zwar so früh wie möglich, denn je jünger die Kinder sind, umso leichter wachsen sie zweisprachig auf.

Die Vorschule kann das nicht richten?

Wir haben keine Vorschul- oder Kitapflicht. Die fordere ich schon lange. Wenn die Kinder mit fast keinem oder radebrechendem Deutsch eingeschult werden, kommen sie häufig aus dieser Falle in der ganzen Schulzeit nicht mehr heraus.

Wenn die Familien mehr Geld zur Verfügung haben, ist das ja nicht unbedingt schlecht.

Zu den sozial schlecht gestellten Menschen gehören in Deutschland die alleinerziehenden Mütter. Für die hätte man etwas tun sollen, denen helfen die 150 Euro nicht. Sie müssen weiter arbeiten gehen. Aber viele andere Familien werden sich überlegen, ob sie für die Betreuung ihrer Kinder lieber Geld bezahlen oder Geld einnehmen wollen. Die kostenlose Kita wie in Berlin ab 2011 ist woanders noch Utopie. Bei der Integration versuchen wir seit Jahren über die Kindertagesstätten die Familien in die Gesellschaft zu holen. Jetzt schicken wir sie wieder zurück mit einer Prämie, wenn sie hinter ihren Türen bleiben. Das kann doch alles nicht wahr sein.

Das Gespräch führte Sandra Dassler.

Heinz Buschkowsky (61) ist seit 2001 Bürgermeister von Neukölln. Der SPD-Politiker weist immer wieder auf die sozialen Probleme in dem multi-ethnisch  geprägten Bezirk hin.

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