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Berlin: Leise klingelt die Tram

Der Warnton der neuen Straßenbahnen ist umstritten. Die Fahrer haben Angst vor Unfällen – die BVG sieht trotzdem kein Problem.

Anwohnern sind sie oft zu laut, Passanten dagegen zu leise: die Straßenbahnen der BVG. Nun gibt es Streit um den Klingelton der neuen Flexity-Bahnen. Erstmals verwendet die BVG in diesen Bahnen eine elektronische Klingel. Die ist nach Ansicht von Kritikern, zu denen auch Fahrer gehören, zu leise, um vor Gefahren zu warnen. Nach mehreren tödlichen Unfällen hatte es sogar Forderungen gegeben, dass die Bahnen ständig klingeln sollen. Nach Angaben von BVG-Sprecher Klaus Wazlak ist die Klingel genauso laut wie in den bisherigen Bahnen. Sie sei so auch von der Technischen Aufsichtsbehörde abgenommen worden. Allerdings werde der Ton anders wahrgenommen, weil er eine andere Frequenz habe.

Untersuchungen hätten gezeigt, dass die meisten Unfälle nicht darauf zurückzuführen seien, dass die Klingel nicht gehört worden war, sagte Wazlak weiter. Unfallopfer seien abgelenkt gewesen, hätten Kopfhörer getragen oder seien betrunken gewesen. Auf das Klingeln hätten alle in der Regel nicht reagiert – egal, wie laut die Warnung gewesen sei. Am Ton der neuen Bahnen werde die BVG deshalb auch nichts ändern. Und dass Fahrer weniger hörten, liege auch an der sehr guten Isolierung ihres Führerstandes.

In diesem Jahr starben bisher drei Menschen bei Unfällen mit der Straßenbahn: Ein 76-Jähriger überquerte die Gleise, ein Betrunkener stolperte an der Haltestelle und fiel vor einen Zug, ein 69-jähriger Radfahrer fuhr bei Rot über eine Kreuzung. Eine lauter klingelnde Bahn hätte möglicherweise den Unfall mit dem 76-Jährigen verhindern können. Klären lässt sich das allerdings nicht mehr. Die beiden anderen tödlichen Unfälle durch grobes Fehlverhalten hätte auch eine hupende Bahn nicht verhindert. Im Jahr 2011 waren sechs Menschen bei Unfällen mit der Straßenbahn getötet worden, vier Fußgänger und zwei Radfahrer. Auffallend ist, dass auch hier unter den Toten drei ältere Menschen zwischen 66 und 90 Jahren waren, die von der Polizei als „Senioren“ in der Statistik geführt werden. Nach einer Serie von tödlichen Unfällen hatte der Chef der Verkehrspolizei bereits 2008 im Tagesspiegel eine auffallendere Optik der Straßenbahnen gefordert, also grellere Farbe, helleres Licht und einen zusätzlichen Scheinwerfer oben an der Fahrzeugfront – zumal sich mehrere der Unfälle in der Dämmerung ereignet hatten. Die BVG hatte anschließend zugesagt, die Front der Fahrzeuge nicht mehr mit Werbung zu bekleben, damit immer das helle Gelb zu sehen ist.

Anderswo gibt es noch andere Warnmethoden. So sind in Leipzig viele Fußgängerquerungen („Z-Gitter“) von Tramgleisen mit gelben Blinklichtern ausgestattet. In Portland im US-Bundesstaat Oregon haben die ohnehin weißen Straßenbahnen nicht nur einen extrem hellen Dachscheinwerfer, sondern auch Klingeln plus zusätzliches Signalhorn wie Eisenbahnzüge. Außerdem hören die Fahrgäste an Umsteigestationen beim Aussteigen den Hinweis, die Gleise nur an vorgesehenen Stellen zu queren und immer in beide Richtungen zu schauen. Ha/kt/obs

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