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Berlin: Liebe, Lügen und „Bugi Wugi“

George Clooneys neuer Film „The Good German“ spielt im Nachkriegs-Berlin. Gedreht wurde er aber in Hollywood

Die Entscheidung über Erfolg oder Misserfolg eines Films hängt manchmal an einem Hosenträger. Zum Beispiel, wenn ein Regisseur wie jetzt Steven Soderbergh mit „The Good German“ einen Film im Berlin des Jahres 1945 spielen lässt und es den jungen Statisten einfach nicht beizubringen ist, dass sie ihre Hosen nicht modisch auf der Hüfte, sondern historisch getreu mindestens auf Bauchnabelniveau zu tragen haben. Immer wieder versuchten die Kleindarsteller zu mogeln und am Hosenbund zu zupfen, bis ihnen kurzerhand Hosenträger verordnet wurden.

Man muss hier in Berlin wohl die Hoffnung aufgeben, dass Soderbergh diese Stadt tatsächlich einmal als Drehort wählt. Für „Ocean’s Twelve“ hatte er die Möglichkeit immerhin auf der Berlinale 2003 angedeutet, das Gerücht hielt sich beharrlich, trotzdem wurde nichts draus. Und sogar diesmal, in einem Film aus dem Nachkriegs-Berlin vor dem Hintergrund der Potsdamer Konferenz, der gestern als Berlinale-Beitrag ausgewählt worden ist, hat Soderbergh auf Originalschauplätze weitgehend verzichtet und lieber in Amerika im Studio gearbeitet. Ein Berlin-Film also, aber gedreht in den USA.

So hatte es schon Billy Wilder 1947 mit „A Foreign Affair“ gehalten, seinem Spiel um Schwarzmarkt, Schuld und Liebe aus der zerbombten deutschen Hauptstadt, mit Marlene Dietrich, Jean Arthur und John Lund in den Hauptrollen. In Berlin drehte er damals nur einige Außenaufnahmen ohne die Stars und montierte später in den Film Aufnahmen hinein, die er hier bereits 1945, als Filmbeauftragter der US-Militärregierung, hergestellt hatte – Material, auf das jetzt wieder Soderbergh zurückgriff, neben Archivaufnahmen von William Wyler und anderen Regisseuren, die mit ihren Kameras im Auftrag der alliierten Truppen den Zustand Berlins dokumentiert hatten. Überwiegend sogar in Farbe, so dass Soderbergh die ausgewählten Sequenzen umkopieren musste, um sie seinem in Schwarzweiß gehaltenen Film anzupassen.

„The Good German“ erzählt eine Dreiecksgeschichte um Liebe, Lügen und „Bugi Wugi“ – so heißt der Club, in dem Jake Geismer, US-Captain und Kriegsberichterstatter, und Lena Brandt, seine frühere Freundin, sich wiedersehen und in dem Geismer und Corporal Patrick Tully, sein Fahrer, Lenas aktueller Freund und nebenberuflich Schwarzmarkthändler, sich später prügeln. Geismer, Brandt, Tully – das sind George Clooney, Cate Blanchett und Toby Maguire, neben Soderbergh mögliche Berlinale-Gäste, nun, da der Film tatsächlich ausgewählt wurde. Auf Clooneys Homepage war „The Good German“ bereits als Beitrag für das „Berlin Film Festival“ angekündigt; gestern wurde der Berlinale-Beitrag auch offiziell bestätigt.

Der Film, der auf dem Roman „In den Ruinen von Berlin“ von Joseph Kanon basiert und am 1. März in die deutschen Kinos kommt, steht in der Tradition des Film noir und greift auch technisch auf die Klassiker der vierziger Jahre zurück, nicht nur durch die Entscheidung für Schwarzweiß, sondern ebenso durch Schnitttechnik, schauspielerischen Stil und Verwendung historischer Kameras. Und wie seinerzeit Billy Wilder lässt nun Steven Soderbergh die Ruinen Berlins in einem amerikanischen Filmstudio neu erstehen, ebenso eine Bushaltestelle, einen sowjetischen Kontrollpunkt oder den Hintereingang des „Bugi Wugi“-Clubs. Auch die Sets für die Außenaufnahmen lagen quasi vor Hollywoods Haustür: Potsdam wurde in Pasadena gefunden. Die Fassade eines Privathauses wurde zu Schloss Cecilienhof, Schauplatz der Potsdamer Konferenz, die Innenaufnahmen entstanden in der 1931 gegründeten katholischen Mayfield Senior School of the Holy Child Jesus. Waldszenen wurden im nahen La Cañada Flintridge gedreht, die Havellandschaft in den dortigen Descanso Gardens. Den San Bernardino International Airport schließlich verwandelte man zum Flughafen Tempelhof.

So ist Soderberghs Berlin-Film ohne die Berliner Nachkriegsgeschichte zwar undenkbar, der konkrete Beitrag der Stadt aber bleibt bescheiden. Immerhin, es gibt ihn: Eine 1936er Chrysler Airflow Limousine, nachweislich schon bei der Potsdamer Konferenz im Einsatz, fuhr nun noch einmal durch die Berliner Kulissenwelt, und dann gab es noch eine Seekiste aus Berlin, vollgepackt mit allerlei historischen Requisiten wie Toilettenschüsseln, Telefonen, Schildern, Öfen und Kacheln, die in Los Angeles nie aufzutreiben wären. Gut denkbar, dass Steven Soderbergh oder George Clooney beim nächsten Schneesturm in Hollywood zufrieden vor sich hinsummen: „Ich hab’ noch einen Ofen aus Berlin.“

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