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Polizeischutz für Makler: Linke Szene stört Lange Nacht der Wohnungsbesichtigungen

Einen "exklusiven Streifzug durch Berlins Immobilienangebot" versprach der Veranstalter der ersten Langen Nacht der Wohnungsbesichtigungen. Die linke Szene nahm die Einladung an - auf ihre Art.

Riesenwohnung im Trendkiez Schlesisches Tor. Altbau, Stuck, Dielen. Aber es riecht muffig und die Kabel hängen aus den Wänden. Ja, hier ist was zu tun, gibt die Vertreterin des Besitzers zu. Kostenpunkt 380 000 Euro. Plötzlich ein Knall aus dem Wohnzimmer:  Einer  der Besucher hat sich eine Sektflasche geschnappt, die der Makler bereitgestellt hat. "So jetzt stoßen wir auf die Berliner Immobilienwirtschaft an: Dass sie sich hier so ungehemmt die Taschen voll stopft." Eine von vielen Protestszenen auf der ersten Langen Nacht der Wohnungsbesichtigung.

Einen "exklusiven Streifzug durch Berlins Immobilienangebot" hatte der Veranstalter und Internetimmobilienanbieter Immobilien-Scout-24 versprochen.

Ab 18 Uhr wurden vor allem Kaufinteressierte, aber auch Mietwohnungssuchende ab Alexanderplatz mit Bussen in acht Berliner Stadtteile gefahren: Charlottenburg, Friedrichshain, Kreuzberg, Mitte, Neukölln, Prenzlauer Berg, Schöneberg und Wedding. Hauptsächlich würden Kaufwohnungen angeboten, aber auch Mietwohnungen ab 440 Euro in Neukölln seien dabei, sagt Immobilien-Scout-24-Sprecher Ergin Iyilikci. „Gerade in einem eng umkämpften Markt wie Berlin“ sei die Lange Nacht eine „erlebnisreiche und komfortable Alternative zu den zeitraubenden Besichtigungsterminen“, heißt es auf der Internetseite des Veranstalters.

Für die linke Szene ist das angesichts steigender Mieten und der Verdrängung von finanzschwachen Mietern eine Provokation, sie rief zu Aktionen auf.

Von denen ist am frühen Abend am Alexanderplatz außer ein paar Flugblättern nicht viel zu sehen. Vor den acht Bussen bildet sich schon am frühen Abend eine große Menschentraube. Im Laufe des Abends werden etwa 1000 Besucher an der Veranstaltung teilnehmen. Der Bus nach Kreuzberg ist von Anfang an am stärksten gefragt, einige Gäste müssen auf den nächsten warten.

Auf  linken Internetseiten wurde zuvor dazu aufgerufen, mitzufahren. Die Vorschläge reichten von „die Moderation im Bus selbst übernehmen“ bis zur Sachbeschädigung: Die Wände der Wohnungen könnten „als Ort der Niederschrift unserer Wünsche“ genutzt und „natürlich auch farblich neu gestaltet“ werden. Auch von Wohnungsbesetzung ist in den Aufrufen die Rede.  

Polizeischutz und betretene Blicke: Eine ganz normale Wohnungsbesichtigung sieht anders aus. Lesen Sie weiter auf der nächsten Seite.

Also sind Zivilpolizisten bei der Wohnungsbesichtigung und Sicherheitsleute in den Bussen dabei, außerdem gibt es ein mobiles Einsatzteam von privaten Sicherheitsbeauftragten, die eingreifen sollen, wenn es brenzlig wird.

In der ersten Wohnung herrscht zunächst ehrfürchtiges Schweigen: Nur Kerzen und Gemälde stehen in den leeren Räume der 100-Quadratmeter-Wohnung, die für 1200 Euro kalt zu haben ist. Klassische Musik aus der Stereoanlage. Drei Jungs, die nach einer Vierzimmerwohnung für ihre WG blicken betreten zu Boden. Die Schlange im Treppenhaus wird derweil immer länger, viele schwarz Gekleidete sind darunter. Der Makler macht an der Tür Blockabfertigung, nur noch zwei Personen auf einmal.

Als auch das nicht mehr hilft, kommt Verstärkung von der Polizei. „Die Besitzer wollen die Wohnung nicht mehr loswerden. Ab nach Hause“, verkündet ein Polizist in Demomontur. Die Menge beglückwünscht sich. „Vermietung und Verkauf verhindern – das ist das beste, was wir heute Abend erreichen können“, sagt einer auf der Straße.

Bereits zwei Stunden nach Beginn der Langen Nacht erklärt der Veranstalter, dass nur noch an zwei von vier Punkten in Kreuzberg Besichtigungen möglich seien.

Dennoch blieb der große Krawall aus: Nach einer ersten Kundgebung am Alexanderplatz lieferten sich die Gegner der Aktion in der Schlesischen Straße und der Adalbertstraße in Kreuzberg ,,leichtere Rangeleien“ mit eingesetzten Beamten, so ein Polizeisprecher. Aus Protest hätten sie wahllos Klingeln von Häusern gedrückt, in denen Wohnungen gezeigt werden sollten. Auch zwei Sachbeschädigungen habe es gegeben. Mehrere Personen wurden zur Feststellung ihrer Personalien vorübergehend festgehalten.

Nur wer wirklich gehofft hatte, wenigstens eine Mietwohnung zu finden, wurde enttäuscht. So wie David, 21, aus Bayern, der eine Einzimmerwohnung sucht. „Die Kommunikation des Veranstalters war miserabel“, sagt er. Auf dem Stadtplan sei nicht verzeichnet gewesen, um welche Wohnungen es sich handelt. Und auch nicht, dass die meisten nur zum Verkauf stünden. Schon wieder fliegt ein Ei ans Busfenster, einer ruft: „Neben euch will ich nicht wohnen“. Klar fühle man sich da nicht willkommen, „aber verstehen kann man die Wut schon, wenn das Wohnen immer teurer wird“.

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