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Seit Monaten kämpft Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) an mehreren Fronten.

© dpa

Machtkampf in der Berliner SPD: Michael Müller erpresst seine Partei

Viereinhalb Monate vor der Wahl in Berlin sinkt die SPD in der Wählergunst. Der Regierende Bürgermeister will deshalb alle Macht in seinen Händen. Aber nach der Wahl werden die Karten neu gemischt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ulrich Zawatka-Gerlach

Die Berliner SPD ist auf bestem Weg, sich selbst zu demontieren. In einem Kampf um die innerparteiliche Macht, den der Regierende Bürgermeister Michael Müller gerade forciert, weil er die eigene Partei nicht mehr im Griff hat – und weil er um den Wahlerfolg im September fürchtet, wenn das Abgeordnetenhaus neu gewählt wird. Es spricht zwar manches dafür, dass ein Ministerpräsident auch die Regierungspartei führt, da wäre Müller durchaus in guter Gesellschaft mit neun anderen Länderchefs in Deutschland. Aber darum geht es nicht.

Den SPD-Mann im Roten Rathaus treibt etwas anderes um. Seit Monaten kämpft er an mehreren Fronten. Zwei Drittel der Bürger sind unzufrieden mit der Arbeit des Senats, in keinem anderen Bundesland gibt es so schlechte Noten für die eigene Regierung. Das liegt an der bescheidenen Bilanz der rot-schwarzen Koalition, die seit Müllers Amtsantritt nie richtig Fuß gefasst hat und seit Ende vergangenen Jahres so heillos zerstritten ist, dass sich viele Wähler abwenden. Von Parteichef Jan Stöß fühlte sich Müller nicht genügend unterstützt, weder bei der Vorbereitung des Wahlkampfs noch in seinem Bemühen, im Landesvorstand enge Vertraute zu installieren.

Die jüngsten Umfragen sehen die Berliner SPD im Sinkflug

Es kommt hinzu, dass sich Berlins Regierungschef in dem einen und anderen Fall Vetternwirtschaft und Filz vorhalten lassen musste. Vorwürfe, die er als unhaltbar zurückweist, durch die er aber trotzdem seine persönliche und amtliche Reputation bedroht sieht. Das alles bleibt beim hochsensiblen Müller nicht in den Kleidern hängen. Auch nicht die jüngsten Umfragen, die die Berliner SPD seit März im steten Sinkflug sehen. Wären jetzt Wahlen, bekäme Müller mit knapper Not eine rot-rot-grüne Mehrheit zusammen. Ein flotter Dreier, na dann viel Spaß!

Auf die Entwicklung, die nicht zu seinen Gunsten verläuft, reagierte Müller jetzt mit einem Befreiungsschlag. Er will alle Macht in seinen Händen und sich auf niemanden verlassen, dem er nicht traut. Und das sind viele. Der altgediente Parteisoldat nimmt dabei billigend in Kauf, dass die schwierige Berliner SPD, dieses Sammelbecken divergierender Strömungen und Interessen, noch unruhiger wird, als sie ohnehin ist. Gezwungenermaßen scharen sie sich jetzt hinter Müller. Viereinhalb Monate vor der Wahl in Berlin bleibt den Genossen gar nichts anderes übrig, sie werden erpresst. Jetzt wird es ein totaler Müller-Wahlkampf. Doch was passiert nach dem 18. September, sobald die Wählerstimmen ausgezählt sind?

Längst warten andere auf ihre Chance

Dann werden alle Genossen, die jetzt zähneknirschend kuschen, ihre politischen und persönlichen Ansprüche geltend machen. Dann werden die Rechnungen beglichen, das war nie anders in der SPD. Zwar würde auch ein Wahlergebnis unter 25 Prozent den SPD-Spiderman Müller nicht akut gefährden, aber er wird auf der Hut sein müssen, schon wenn die Koalitionsverhandlungen anstehen.

Spätestens dann, wenn es ans Regieren geht. Längst warten andere auf ihre Chance – und sie werden sie mittelfristig nutzen, sollte es mit einem wiedergewählten Regierungs- und Parteichef Müller nicht so richtig vorwärtsgehen. Einige basteln längst an ihrem Profil, allen voran Fraktionschef Raed Saleh, aber auch Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel. Und Stöß wird nicht klein beigeben, dazu ist er zu zäh und schlau. Irgendwann werden die Karten neu gemischt. Mal sehen, wer das Ass im Ärmel hat.

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