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Seit Herbst letzten Jahres gibt es das Camp auf dem Oranienplatz in Kreuzberg. Zwar wurden kürzlich neue Flüchtlingsunterkünfte bereitgestellt, aber sofort nach dem Umzug waren neue Bewohner in den Zelten.

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Mittes Bezirkschef zum Camp am Oranienplatz: „Man muss die Sogwirkung unterbrechen“

Das Flüchtlingscamp in Kreuzberg ist weiterhin Streitpunkt der Berliner Politik. Mittes Bezirkschef Christian Hanke spricht im Interview über den früheren Hungerstreik am Pariser Platz, die Räumungsdrohung von Innensenator Henkel und die Kapazitäten der Bezirke.

Von Sandra Dassler

Herr Hanke, Ihr Bezirk hat ein weiteres Flüchtlingsheim bekommen, weil Kreuzberg das Camp am Oranienplatz nicht räumen lassen wollte. Sind Sie Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann eigentlich dankbar dafür?

Das ist eine etwas provozierende Frage. Ich bin erstmal froh, dass es eine Lösung für die Menschen gibt. Und ich glaube, dass alle Bezirke nach besten Kräften versuchen, die Flüchtlinge unterzubringen.

Also kein verstohlenes Händereiben angesichts der Zustände in Kreuzberg?

Nein. Schon gar nicht bei uns in Mitte. Wir hatten ja schon zweimal ein ähnliches Problem am Pariser Platz. Und wir haben unsere Lehren daraus gezogen.

Die da wären?

Christian Hanke (51) ist Bürgermeister von Mitte. Im Bezirk des Sozialdemokraten sind 1400 Flüchtlinge untergebracht. Er kritisiert, dass die Bezirke mit den Problemen allein gelassen werden.
Christian Hanke (51) ist Bürgermeister von Mitte. Im Bezirk des Sozialdemokraten sind 1400 Flüchtlinge untergebracht. Er kritisiert, dass die Bezirke mit den Problemen allein gelassen werden.

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Wir sind als Bezirk nicht für Flüchtlingspolitik zuständig, und wir erteilen keine Sondernutzungserlaubnis jenseits der eigentlichen Demonstrationen.

Haben Sie sich deshalb nicht sehen lassen, als die Situation der hungerstreikenden Flüchtlinge am Pariser Platz vor einigen Wochen lebensbedrohlich wurde?

Ich war aber ständig im Gespräch mit Integrationssenatorin Dilek Kolat, die zum Glück mit dem Bundestagsabgeordneten Rüdiger Veit eine Lösung erreicht hat.

Wer hat Recht im Streit um das Camp am Oranienplatz? Die Bezirksbürgermeisterin oder der Innensenator?

Die Rechtsauffassung von Herrn Henkel, die auch Klaus Wowereit unterstützt, ist nicht zu beanstanden. Ob er aber mit Gewalt gegen Flüchtlinge vorgehen kann und will – und das auch noch vor Weihnachten – wird er sich gut überlegen.

Was hat Frau Herrmann falsch gemacht?

Es war richtig, den Dialog zu suchen. Aber man hätte, als für die Flüchtlinge eine Bleibe gefunden war, gleichzeitig die Schlafzelte abbauen müssen.

Auch zwangsweise?

Ja, denn so ist eine Sogwirkung entstanden, die man unbedingt unterbrechen muss. Das kann sich sonst beliebig oft wiederholen und spricht sich herum in Deutschland und ganz Europa.

Sie haben im Caritas-Heim mit den Flüchtlingen gesprochen– wie war Ihr Eindruck?

Als Christ bin ich zutiefst betroffen, weil es Menschen in einer existenziellen Notlage sind. Als Bezirksbürgermeister bin ich an Recht und Gesetz gebunden.

Das heißt?

Ich kann keine Asylanträge genehmigen. Man muss ganz klar sagen: Die Berliner Bezirke sind wie viele Kommunen total überfordert. Für anerkannte Flüchtlinge gibt es ja finanzielle Unterstützung. Aber wir haben zusätzlich noch die Armutsmigranten aus Südosteuropa. Mit denen lässt man uns fast völlig alleine.

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