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Best of. Vor einigen Jahren startete Rapper Frank Wolff alias Kapitän Kiez eine private Imagekampagne für Moabit. Auch Briefkästen bekamen dabei eine geklebt.

© Imago

Modellprojekt der TU Berlin: Moabit soll smart und grün werden

Das Viertel am westlichen Ende der Turmstraße ist typisch für die Berliner Mischung. Nun wird es Labor für die nachhaltige Stadt - und das nicht zufällig.

Wenn es um die Stadt der Zukunft geht, fällt einem Moabit West nicht unbedingt zuerst ein. Aber das soll sich ändern: „Smart Sustainable District“ soll die dicht bebaute, sozial teils schwierige und von der Nachbarschaft aus Wohnen und innerstädtischer Industrie geprägte Gegend ums westliche Ende der Turmstraße werden.

Große Worte flogen durchs kleine Besprechungszimmer des Quartiersmanagements, als das Projekt vorgestellt wurde. Einfach gesagt geht es darum, dass man die Stadt nicht neu bauen kann, um sie klimaneutral zu machen und auf den Klimawandel einzustellen, der schon begonnen hat. Also muss man sich den Bestand vornehmen. Im Fall von Moabit West ist das die typische Berliner Mischung in verdichteter Form: Gründerzeithäuser neben energiefressenden 1960er-Jahre-Blöcken, Parkplatzmangel und jede Menge Pendler sowie Lkw-Verkehr wegen der Industrie.

Entsprechend hoch ist der Versiegelungsgrad des Bodens – was zum Problem wird, wenn der Regen nicht gemütlich fällt, sondern als Wolkenbruch herunterprasselt. Viel Wasser muss schnell weg – und rauscht zusammen mit dem Dreck aus der überlaufenden Kanalisation in die Spree. Nun lässt sich das Firmengelände einer Spedition ebenso wenig entsiegeln wie die Beusselstraße. Aber vielleicht kann das Regenwasser vom Dach der Industriehallen dem Park oder dem Spielplatz nebenan etwas nützen, statt die Kanalisation zu überschwemmen? Und ist den Eigentümern der Immobilien überhaupt bewusst, dass das Regenwasser gar nicht umsonst weggeleitet wird, sondern gegen Gebühr?

Gemischte Eigentümergemeinschaften erschweren Sanierung

Solchen Fragen widmet sich das Projekt, das vom Institut für Architektur an der TU Berlin betreut und von der europäischen Innovationsinitiative Climate- KIC koordiniert wird. Moabit West ist einer von sechs europäischen Modellkiezen. Jeder hat seine Besonderheiten, mit denen die Planer sich arrangieren müssen. In Moabit ist es beispielsweise die kleinteilige Eigentümerstruktur, die typisch ist für die energetisch heiklen Berliner Altbauten, die den größten Einzelposten in der CO2-Bilanz des Landes bilden. Eine bunt gemischte Eigentümergemeinschaft ist deutlich schwerer für energetische Sanierung zu gewinnen als eine große Wohnungsbaugesellschaft.

Aber wenn man den Eigentümern die Option eröffnet, dass sie die Kaltmiete erhöhen können, weil die Warmmiete dank Energieersparnis sinkt? Das kann für Wohnungen und Gewerbe gleichermaßen interessant sein. Olaf Moll, Standortleiter der Spedition Craiss am Neuen Ufer, berichtet von den neuerdings dimmbaren Leuchtstoffröhren mit speziellen Spiegeln und Bewegungsmeldern: 45.000 Kilowattstunden Strom, wofür vorher 220.000 verbraucht und bezahlt wurden. Sobald der Elektriker noch die schon eingebaute Abschaltautomatik bei Tageslicht aktiviert habe, werde es sogar noch weniger. Unter den Lampen fahren Stapler, die mit Ökostrom betankt werden. Die Vorgänger brauchten Gas.

Die Gabelstapler in der Moabiter Spedition Albert Craiss fahren elektrisch - und die Halle wird mit modernster Spartechnik beleuchtet.
Die Gabelstapler in der Moabiter Spedition Albert Craiss fahren elektrisch - und die Halle wird mit modernster Spartechnik beleuchtet.

© Doris Spiekermann-Klaas

Moll ist im Vorstand des Unternehmensnetzwerks Moabit und betreut seit 2009 eine Arbeitsgruppe, die sich grüne Gedanken zum Wohle der Unternehmer macht. Ihm geht es sowohl um den direkten Nutzen als auch um die Chance, grüne Ideen aus dem Modellkiez zu exportieren.

Wohl auch deshalb wurde Moabit fürs Pilotprojekt gewählt: Es gibt schon was, worauf man aufbauen kann. Zum einen wurden mit dem Vorläuferkonzept „Green Moabit“ Erfahrungen gesammelt, zum anderen sind die Einheimischen gut vernetzt – über Quartiersmanagement, Unternehmensnetzwerk und einen Projektleiter aus dem Bezirksamt Mitte. Im Herbst soll ein von der KfW geförderter Sanierungsmanager hinzukommen.

In der Waldstraße werden gerade LED-Laternen vorgeführt

TU-Wissenschaftlerin Nadine Kuhla von Bergmann präsentierte beim Auftakt im Quartiersmanagement die „Instrumentenbox“, mit der Interessen abgewogen, Konflikte gelöst und vor allem die Bürger informiert werden sollen – damit sie wissen, wer wo was macht und wie man mitreden kann. Ein aktuelles Beispiel sind die sieben verschiedenen Typen von LED-Laternen, die gerade in der Waldstraße im Kiez getestet und den Bürgern zur Abstimmung präsentiert werden.

Hartmut Schönknecht, als Projektmanager verantwortlich für den Stadtumbau West, fasst seine Erfahrung aus dem Stadtteilkonzept „Green Moabit“ so zusammen: „Wir müssen alle dort abholen, wo sie sind“ – und oft seien sie, Privatleute wie Gewerbetreibende, noch ganz am Anfang: Die einen reißen bei aufgedrehter Heizung die Fenster auf, wenn ihnen die Wohnung zu warm wird. Die anderen nehmen die Energierechnung als schicksalsgegeben hin. Weil das nicht ewig so bleiben kann, müsse man mal irgendwo anfangen, sagt Schönknecht. Und weil Berlin zu groß sei, um die grüne Revolution beim Bier mit dem Bürgermeister zu verabreden, müsse man halt im Kleinen starten, um fürs große Ganze zu üben.

Daran sind viele beteiligt – von der BSR über die Wasserbetriebe und Vattenfall bis zur BVG. Die kommt beispielsweise beim Thema Green Mobility ins Spiel – im Rahmen ihrer Möglichkeiten, denn ohne Schienen keine Tram. Und solange das Öl so billig ist wie zurzeit, ist Energieverschwendung für den Einzelnen nicht unbedingt ein Problem. Schönknecht weiß, dass in Moabit ein dickes Brett gebohrt wird. „Die Umsetzung ist eine Generationenfrage“, resümiert er. Aber wer die Jungen erreiche, habe später auch die Alten erreicht.

Das Online-Portal zum Projekt: www.ssd-moabit.org

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